Prostatakarzinom – Therapien im 10-Jahres-Vergleich

Nach der Diagnose eines Prostatakarzinoms stehen Arzt und Patient vor der Frage, welche Therapie die beste Option ist. Dabei spielen die Wirksamkeit der Behandlung bezüglich des Überlebens eine Rolle, aber auch mögliche Komplikationen und die persönlichen Präferenzen des Patienten. Welche langfristigen Unterschiede es zwischen Operation, Strahlentherapie und aktiver Überwachung gibt, zeigt ein Zehn-Jahres-Vergleich.

Egal, ob man ein Prostatakarzinom per radikaler Prostatektomie (RPE) entfernt oder die Krebszellen mittels Radiotherapie abtötet – beide Behandlungsvarianten haben individuelle Vor- und Nachteile. Dazu kommt, dass für manche Patienten gar keine sofortige Therapie notwendig ist. Stattdessen kann man eine aktive Überwachung (active surveillance) mit engmaschigen Untersuchungen bei einem lokal begrenzten Prostatakrebs in Betracht ziehen, bis die Erkrankung fortschreitet oder der Patient eine Therapie wünscht.

Dennoch ist es bei der Entscheidung für oder gegen eine Therapieoption hilfreich, die verschiedenen Aspekte wie Art der Behandlung, Wirksamkeit und auch mögliche Komplikationen oder Nebenwirkungen abzuwägen. Nur so kann die beste Therapie für den jeweiligen Patienten gefunden werden.

Langzeitvergleich von drei Therapien

Inwieweit sich die aktive Überwachung bzgl. der Überlebenswahrscheinlichkeit von der Prostatektomie unterscheidet, wurde bereits in früheren Studien untersucht. Jedoch wurde in bisherige Langzeitvergleiche keine Radiotherapie einbezogen. Dies ist bei der britischen ProtecT-Studie (Prostate Testing for Cancer and Treatment) der Fall. Damit war diese Studie die erste, die alle drei Optionen über einen längeren Zeitraum miteinander verglichen hat. Die Patientenrekrutierung der ProtecT-Studie erfolgte 2001 bis 2009. Das Vorgehen entsprach nicht den aktuellen deutschen Leitlinienempfehlungen, die hier einen engeren Rahmen setzen. Die Zehn-Jahres-Ergebnisse der Studie wurden 2016 veröffentlicht – sowohl zur Überlebenswahrscheinlichkeit als auch zu Komplikationen der jeweiligen Behandlung.

Strenge aktive Überwachung

1.643 Patienten, deren Erkrankung durch ein PSA-Screening entdeckt worden war, nahmen an der Untersuchung teil. Der mediane PSA-Wert lag bei 4,6 ng/ml und bei etwa drei Viertel handelte es sich um lokal begrenzte T1c-Tumore. 77 Prozent der Karzinome hatten einen Gleason-Score von 6 und 21 Prozent einen Score von 7.

Bei der Einteilung der Studienteilnehmer in die verschiedenen Behandlungsarme wurde randomisiert, das heißt per Zufallsmechanismus, vorgegangen. Bei Patienten, die sich einer aktiven Überwachung unterziehen, sind regelmäßige PSA-Kontrollen wichtig. Nur so kann gewährleistet werden, dass ein Fortschreiten der Erkrankung rechtzeitig erkannt und gegebenenfalls zu einer anderen Therapie gewechselt werden kann.

Das war auch bei dieser Studie der Fall. So wurden die PSA-Werte im ersten Jahr alle drei und danach alle sechs bis zwölf Monate überprüft. Bei einem PSA-Anstieg um mehr als 50 Prozent wurde über einen Therapiewechsel entschieden. Insgesamt wurde so etwa die Hälfte aller Patienten bis zum Ende des Untersuchungszeitraums aktiv behandelt.

Vergleichbare Effektivität

Von den Studienteilnehmern verstarben insgesamt 169 Patienten (10,3 Prozent) innerhalb des Studienzeitraumes von zehn Jahren, 17 (1 Prozent) davon an ihrer Prostatakrebserkrankung: acht in der Gruppe mit aktiver Überwachung, fünf nach Operation und vier nach Strahlentherapie. Diese Unterschiede waren statistisch allerdings nicht relevant. Insgesamt sei die Prostatakrebs-spezifische Sterblichkeitsrate (Mortalität) deutlich niedriger, als man zu Studienbeginn erwartet habe, so Studienleiter Professor Freddie Hamdy von der Universität Oxford.

In der Überwachungsgruppe gab es jedoch mehr Patienten, bei denen sich Tochtergeschwülste (Metastasen) entwickelten. Hier kam es zu 33 Fällen gegenüber 13 in der OP- bzw. 16 in der Bestrahlungsgruppe. Dieser Unterschied war statistisch relevant.

Das Gleiche gilt für klinisch voranschreitende Erkrankungen. Definiert wurden diese durch Metastasen, ein T3- oder T4-Stadium, den Beginn einer Hormontherapie, Harnwegsobstruktionen, rektale Fisteln oder einen nötigen Harnwegskatheter. In der Gruppe der aktiv überwachten Patienten waren es 112, bei den behandelten Patienten in beiden Gruppen jeweils 46 Fälle.

Weitere Nachbeobachtungen der Studienteilnehmer werden zeigen müssen, wie sich die Therapievarianten bzgl. der Chance, krankheitsfrei zu überleben, unterscheiden. Und ob die Vermutung einiger Studienkommentatoren zutrifft, dass viele der überwachten Patienten statt an ihrer Krebserkrankung eher aus anderen Gründen versterben, bevor es zu einer Metastasierung kommt.

„Auch wenn es unter einer aktiven Therapie zu weniger fortschreitenden Erkrankungen kommt, wissen wir noch nicht, ob dies auch zu einem längeren oder besseren Leben der Patienten führt“, so Hamdy. Zudem bliebe unklar, welche Art der Prostatakarzinom-Erkrankung tödlich (letal) sei und daher einer Behandlung bedürfe.

Mögliche Komplikationen

Bei der Entscheidung für eine Therapie spielen für viele Patienten auch mögliche Nebenwirkungen und Komplikationen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Insbesondere bei der operativen Prostataentfernung ist die Sorge vor drohender Inkontinenz oder Impotenz groß. Bei der Radiotherapie kann es darüber hinaus zu Darmschädigungen kommen.

Um die Langzeitfolgen der jeweiligen Behandlungsmethode zu erfassen, wurden diese per Fragebogen erhoben. Das heißt, die Patienten wurden vor der Behandlung sowie bis zu sechs Jahre danach regelmäßig befragt.

Diese Befragungen ergaben deutliche Unterschiede zwischen den drei Therapieregimen. Zwar besserten sich einige Nebenwirkungen innerhalb von zwei bis drei Jahren deutlich. Andere Effekte hielten aber längere Zeit an. So hatte die Prostatektomie erhebliche Auswirkungen auf die Kontinenz der Patienten: 17 Prozent benötigten auch sechs Jahre nach der Operation immer noch Einlagen. Bei den strahlentherapierten Patienten war dies bei vier Prozent und bei den überwachten Patienten bei acht Prozent der Fall.

Negative Effekte auf die Sexualfunktion gab es in allen drei Studienarmen. Vor Studienbeginn waren noch 67 Prozent der Patienten aufgrund einer ausreichenden Erektion zum Geschlechtsverkehr (Koitus) in der Lage. Nach sechs Jahren lag dieser Anteil bei zwölf Prozent bei den operierten Männern. Bei bestrahlten Patienten waren 22 Prozent zum Koitus fähig, bei den überwachten 52 Prozent.

Die Verschlechterung der sexuellen und der Harnfunktion in der Gruppe der aktiven Überwachung im Laufe der Jahre kann zum einen am zunehmenden Alter der Patienten liegen. Zum anderen aber auch daran, dass im Laufe der Studie ca. 50% zu einer aktiven Behandlung wechselten.

Bei der Radiotherapie kam es zwar zu mehr Fällen mit einer verschlechterten Darmfunktion nach sechs Monaten. Diese Einschränkungen besserten sich dann aber etwas. Erhöht blieb jedoch die Neigung zu blutigen Stuhlgängen bei den bestrahlten Patienten. Ebenfalls in der Radiotherapiegruppe erhöht waren nach sechs Monaten die Fälle von unwillkürlichem Harnabgang und nächtlichem Wasserlassen (Nykturie). Nach zwölf Monaten war die Rate betroffener Patienten aber zurückgegangen und ähnlich niedrig wie in den anderen Gruppen.

Interessantes weiteres Ergebnis der Befragung: Sowohl bei Aspekten zur Lebensqualität als auch zu Angst und Depressionen gab es keine Unterschiede zwischen den Studiengruppen.

Weitere Studien nötig

Abschließend bleibt fraglich, ob modernere Therapieverfahren untereinander ähnliche oder andere Unterschiede ergeben. Seit dem Start der vorgestellten Studie werden zum Beispiel Operationen häufiger minimal-invasiv mithilfe eines Roboters durchgeführt. Bei der Radiotherapie wird in anderen Dosen und Abständen bestrahlt. All diese Entwicklungen können sich positiv auf mögliche Komplikationen auswirken, aber auch auf die Überlebenschancen. Dazu sind weitere Langzeitstudien notwendig.

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