Palliativmedizin bei Prostatakarzinom

Die Linderung von Beschwerden und andere Maßnahmen sollen einem Patienten mit unheilbarem, fortschreitendem Prostatakrebs ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, soweit und solange dies die Krankheit erlaubt.

Die Palliativmedizin soll die Lebensqualität von Patienten (und ihrer Angehörigen) verbessern, bei deren Erkrankung keine kurative (heilende) sondern nur noch eine palliative (lindernde) Behandlung möglich ist. Dies geschieht durch Vorbeugung gegen körperliche, psychische, soziale und spirituelle Probleme sowie deren Behebung oder Linderung. Diese Definition (nach WHO 2002) ist sehr umfassend und lässt erkennen, dass die Betreuung durch ein ganzes Team erfolgt, vom Arzt bis zum Seelsorger, und dies bis über den Tod des Kranken hinaus. Alle Aspekte hier zu besprechen, wäre viel zu ausführlich. Deshalb sind nachfolgend vor allem medizinische Maßnahmen genannt, darüber hinaus sei auf den Abschnitt „Weitere Informationen“ verwiesen (s. u.)

Nach der aktuellen Behandlungsleitlinie ist das Ziel der Palliativtherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom das Verbessern ihrer Lebensqualität durch wirksame Behandlung von belastenden Symptomen. Häufig kommt es demnach in diesem Fall zu Schmerzen, Erschöpfung (Fatigue-Syndrom), Gewichtsverlust, Angst, Depression und Beschwerden an betroffenen Organen (z. B. Harnverhalt s. u.).

Die Möglichkeiten der Palliativtherapie sollen nach der Leitlinie mit dem Patienten und seinen Angehörigen frühzeitig und ausführlich besprochen werden. Dies beinhaltet auch Informationen über alle verfügbaren Betreuungsangebote und Behandlungsmethoden sowie das Erstellen eines umfassenden Behandlungsplans. Letzterer soll unter Berücksichtigung der Wünsche des Patienten und interdisziplinär (unter Beteiligung von Personen aus verschiedenen Fachrichtungen) festgelegt werden. Dem Patienten sollte ein interdisziplinäres Behandlungsteam aus speziell geschultem Fachpersonal zur Verfügung stehen. Dieses soll körperliche und seelische Beschwerden wie Angst, Unruhe, Depression, Atemnot, Schwäche und Erschöpfung (Fatigue-Syndrom) regelmäßig erfassen und den Patienten angemessen betreuen und behandeln.

Supportivtherapie

Hierunter versteht man im Allgemeinen eine unterstützende Behandlung, die sich gegen Nebenwirkungen und Komplikationen von anderen Therapien richtet. Dementsprechend können dafür viele verschiedene Maßnahmen infrage kommen. Hierzu zählt auch die stufenweise Schmerztherapie, ebenso wie die Therapie der medikamentös bedingten Nebenwirkungen einschließlich einer bedarfsorientierten psychoonkologischen Betreuung. Nicht zuletzt sind die Maßnahmen zur Osteoprotektion (Knochenschutz) sinnvoll, um einer medikamentös induzierten Osteoporose zu begegnen. Hierzu bietet sich die Gabe von Vitamin D und Kalzium ebenso an wie auch bei bestehenden Knochenmetastasen die Verordnung von Zoledronsäure oder Denosumab. Beispiele finden sich in den Abschnitten Radikale Prostatektomie, Strahlentherapie und Hormontherapie.

Verlegung der Harnwege

Ein fortgeschrittener Tumor selbst sowie befallene Lymphknoten und andere Metastasen können den Abfluss von Urin im Bereich der Harnröhre, der Harnblase oder der Harnleiter beeinträchtigen. Mögliche Folgen sind unter anderem Beschwerden beim Wasserlassen, aufsteigende Infektionen des Harntrakts, Allgemeininfektionen (Sepsis) und dauerhafte Schädigungen der Nieren.

Bei Patienten mit subakuter (mit weniger heftig verlaufender) Harnstauung, bei denen noch keine Hormontherapie durchgeführt wurde, sollte zunächst nur eine solche Behandlung erfolgen (s. Hormontherapie). Bei Patienten mit Harnstauung, die Krankheitszeichen auslöst, soll eine Harnableitung erfolgen: Sie ist möglich mittels Katheter (von der Niere in die Harnblase, von der Harnblase durch die Harnröhre oder von der Harnblase oder Niere perkutan = durch die Haut nach außen), mittels Stent (an die Engstelle in die Harnröhre oder den Harnleiter eingelegtes Röhrchen) und mittels Operation (z. B. mit einer evtl. nur minimalen TUR-P oder einer Laserabtragung der Prostata, ähnlich wie die Eingriffe bei gutartiger Prostatavergrößerung, s. Operationsverfahren zur BPS-Behandlung).

Die Möglichkeit der Harnableitung, ihre Vor- und Nachteile sowie die verschiedenen Verfahren müssen mit dem Patienten und seinen Angehörigen besprochen werden. Patienten mit einem Androgen-unabhängigen (kastrationsresistenten) Prostatakarzinom (s. Hormontherapie) und beidseitigen Harnstauungsnieren haben in der Regel eine geringe Lebenserwartung; dies soll bei der Entscheidung über eine Harnableitung berücksichtigt werden, nicht zuletzt im Hinblick, ob Schmerzen bestehen oder nicht.

Wegen der Nachteile der anderen Verfahren sollte die Harnableitung vorzugsweise perkutan (durch die Haut) erfolgen. Anschließend soll der Patient im ersten Monat mehrfach kontrolliert werden, weitere Kontrollen sollten monatlich durchgeführt werden.

Knochenkomplikationen

Metastasen von Prostatakrebs finden sich bevorzugt im Skelett (s. Wachstum und Ausbreitung). Dort können sie Schmerzen verursachen, die Blutbildung und umliegende Organe beeinträchtigen sowie zur Instabilität von Knochen führen (z. B. mit Bruch, Beeinträchtigung des Rückenmarks). Instabilität kann aber auch die Folge eines Knochenabbaus (Osteoporose) durch eine lang dauernde Hormontherapie sein (zur Behandlung s. dort).

Zur palliativen Behandlung von Knochenmetastasen stehen zur Verfügung: Schmerzbehandlung (s. nächster Abschnitt), Hormontherapie, Chemotherapie, örtliche Bestrahlung (ggf. kombiniert mit einer Operation), Anwendung von Radionukliden (radioaktive Stoffe) sowie Gabe von so genannten Biphosphonaten oder von Denosumab (ein künstlicher monoklonaler Antikörper gegen ein Antigen auf bestimmten Knochenzellen).

Eine lokale perkutane Strahlentherapie (örtliche Bestrahlung durch die Haut) soll erfolgen, wenn eine Beeinträchtigung (Kompression) des Rückenmarks bis hin zur Querschnittslähmung droht oder wenn das Knochenbruchrisiko erhöht ist. Eine solche Behandlung soll angeboten werden, wenn unter einer allgemeinen medikamentösen Behandlung (Hormontherapie) lokale Knochenschmerzen fortbestehen.

Radionuklide (Sr-89, Sm-153 oder Re-186) können eingesetzt werden, wenn bei einem hormonrefraktären (Hormon-unempfindlichen) Prostatakarzinom mehrere Knochenmetastasen vorhanden sind und sich die Schmerzen nur unzureichend behandeln lassen. In der jüngsten Vergangenheit ist für diese Situation ein strahlenwirksames Medikament eingeführt worden: Alpharadin als Alpha-Strahler mit kurzer Reichweite bedingt eine effektive lokal begrenzte Strahlentherapie. Diese Behandlung ist sehr wirksam bei guter Verträglichkeit. Alpharadin ist der einzige nuklearmedizinische Strahler, der eine nachgewiesene Lebensverlängerung erreicht hat.

Bei einem Androgen-unabhängigen (kastrationsresistenten) Prostatakarzinom (s. Hormontherapie) soll nach Aufklärung über Nutzen und Risiken als Bisphosphonat Zoledronsäure oder der monoklonale Antikörper Denosumab angeboten werden, um gegen Komplikationen von Knochenmetastasen vorzubeugen. Wegen möglicher Nebenwirkungen am Kieferknochen muss sich aber der Patient vorher vom Zahnarzt untersuchen, behandeln und zu optimaler Mundhygiene anleiten lassen. Ob sich Biphosphonate auch zur Vorbeugung gegen Knochenmetastasen selbst eignen, ist noch unklar.

Schmerzen

Bei weit fortgeschrittenem Prostatakrebs treten oft Schmerzen auf, durch den Tumor selbst, durch seine Metastasen oder auch aus anderen Gründen. Die Behandlung kann kausal sein (gegen die Ursache gerichtet, z. B. gezielte Bestrahlung oder Operation von Metastasen). Meist ist sie symptomatisch (gegen das Krankheitszeichen gerichtet, z. B. Medikamente, Physiotherapie, Stimulation oder Blockade von Nervengewebe, Hilfsmittel wie Korsetts).

Nach einer sorgfältigen Diagnostik kommen zunächst Maßnahmen gegen behebbare Schmerzursachen zum Zug (z. B. durch Verlegung der Harnwege und Knochenkomplikationen, s. o.). Die medikamentöse Schmerztherapie soll nach dem Stufenschema der WHO (World Health Organization, Weltgesundheitsorganisation) erfolgen. Verwendet werden verschiedene Schmerzmittel (Analgetika, einschließlich Opioide wie Morphin) und unterstützende Substanzen (Ko-Analgetika und Adjuvanzien, z. B. Psychopharmaka, krampflösende Mittel, Kortikosteroide). Zusätzlich sollen nicht medikamentöse Maßnahmen erwogen werden, die Schmerzen lindern können, wie physikalische (z. B. Lagerung, Lymphdrainage, aktivierende Pflege) und psychosoziale Methoden (psychologischer und seelsorgerischer Beistand). Hilfreich sind auch bestimmte psychotherapeutische Verfahren wie die progressive Muskelentspannung oder die Verhaltenstherapie.

Magen-Darm-Beschwerden

Übelkeit (Nausea) und Erbrechen (Emesis) können nicht nur von einer Strahlentherapie und Chemotherapie ausgelöst werden, sondern bei einem ausgedehnten Prostatakrebs beispielsweise auch durch Metastasen, eine Stoffwechselstörung (z. B. durch Knochenbefall oder Nierenschädigung) und Medikamente (z. B. Schmerzmittel). Sie lassen sich medikamentös behandeln. Falls möglich ist aber eine kausale Therapie vorzuziehen wie die lokale Bestrahlung einer Metastase oder die Beseitigung des Auslösers (z. B. Umsetzen des Schmerzmittels). Psychotherapeutische Verfahren können unterstützend wirken.

Eine Verstopfung (Obstipation) kann ähnliche Gründe haben und wird oft verstärkt durch mangelnde Bewegung und veränderte Ess- und Trinkgewohnheiten. Ist die Ursache nicht zu beseitigen, werden Abführmittel (Laxanzien) gegeben. Bei mechanischer Verlegung des Darms (z. B. Einengung des Mastdarms durch den Tumor) und bei Darmlähmung (Ileus) kann eine Operation infrage kommen.

Atembeschwerden

Mögliche Ursachen für Husten und Luftnot (Dyspnoe) sind ebenfalls sehr zahlreich. Die Behandlung erfolgt auch hier möglichst kausal, ansonsten symptomatisch, beispielsweise mit Medikamenten, durch physikalische Therapie wie Befeuchten der Atemluft oder Atemtherapie, durch zusätzliche Gabe von Sauerstoff und mit psychotherapeutischen Verfahren.

Unkonventionelle Behandlungsverfahren

Bei den oben genannten Beschwerden können auch Methoden der Erfahrungsheilkunde wie die Ernährungstherapie unterstützend wirken. Siehe hierzu den vorherigen Abschnitt Unkonventionelle Behandlungsverfahren bei Prostatakrebs.

Palliative Sedierung

Besteht in der Endphase der Krankheit trotz maximal möglicher Therapie weiterhin ein unerträgliches körperliches oder psychisches Leid, ist eine Sedierung (Beruhigung) mit Medikamenten möglich. Die Einschränkung des Bewusstseins kann dabei gesteuert werden, führt also nicht unbedingt zum Verlust von Sinneswahrnehmungen wie Hören oder Sehen. Ob diese Möglichkeit für ihn in Betracht kommt, sollte der Kranke rechtzeitig mit den behandelnden Ärzten und seinen Angehörigen besprechen.

Psychoonkologische Unterstützung

Die Diagnose Krebs kann sich erheblich auf das seelische und soziale Leben von Betroffenen auswirken. Psychoonkologen (psychosoziale Onkologen) sind speziell auf diesem Gebiet geschulte Ärzte oder Psychologen, die Krebspatienten und ihre Angehörigen begleiten, beraten und behandeln. Ziel ist, sie bei der Bewältigung der Krankheit zu unterstützen, körperliche Beschwerden (z. B. Schmerz) und psychische Belastungen zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern. Der behandelnde Arzt sollte nach entsprechenden Problemen fragen und gegebenenfalls eine psychoonkologische Unterstützung anbieten oder vermitteln.

Wichtiges rechtzeitig regeln

Niemand beschäftigt sich gern mit seinem eigenen Tod. Es erleichtert den Abschied jedoch, wenn die wichtigsten Dinge geregelt sind. Deshalb sollte man am besten rechtzeitig vorsorgen, beispielsweise um keine Zweifel an der Testierfähigkeit aufkommen zu lassen (z. B. beim Ausstellen einer Vollmacht) oder um keine Fristen zu versäumen (z. B. spielt bei manchen Rentenversicherungen die Dauer einer Ehe für den Rentenanspruch eine Rolle).

Ratsam ist, wichtige Dokumente auszustellen und Unterlagen zu ordnen sowie dafür zu sorgen, dass eine Person des Vertrauens Zugriff darauf hat (Zettel mit dem Aufbewahrungsort bzw. Schließfachschlüssel bei sich tragen oder an die Person aushändigen). Beispiele:

  • Patientenverfügung (Patiententestament): Was soll in welchem Fall medizinisch unternommen werden, falls man selbst nicht mehr entscheiden kann.
  • Betreuungsverfügung: Wer soll als Betreuer bestellt werden, falls man entscheidungsunfähig wird.
  • Vorsorgevollmacht: Wer soll in welchem Umfang über persönliche Angelegenheit (z. B. Betreuung, Vermögen) Vollmacht erhalten, falls man entscheidungsunfähig wird.
  • Testament: Handschriftlich oder beim Notar.
  • Verzeichnis und Unterlagen von Konten und Vermögen: Evtl. dem Testament beilegen.
  • Post- und Bankvollmacht: Über den Tod hinaus wirksame Form wählen.
  • Ausweise und Urkunden: Z. B. Personalausweis, Reisepass, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Familienstammbuch, Scheidungsurteil, Sterbeurkunde des Partners.
  • Verzeichnis und Unterlagen von Versicherungen: Z. B. Krankenkasse (inkl. Karte), Rentenversicherung (inkl. letztem Bescheid), Lebensversicherung (Bezugsberechtigung prüfen), Unfallversicherung, Sterbegeldversicherung.
  • Verzeichnis und Unterlagen von Verträgen: Z. B. Mietvertrag, Bestattungsvorsorgevertrag.

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