Doch kein Prostatakrebs durch hohe Testosteronwerte

In einer neuen Untersuchung fand sich kein Zusammenhang zwischen Androgenen und Prostatakrebsrisiko. Nur bei erniedrigten Testosteronspiegeln war es etwas geringer, nahm aber bei normalen Spiegeln nicht weiter zu.

Das wichtigste der männlichen Geschlechtshormone (Androgene) ist Testosteron. Dieses wird in den Zellen umgewandelt in das stärkste Androgen, das DHT (Dihydrotestosteron; mehr zum Thema siehe Sexualhormone und die Prostata).

Bei fortgeschrittenem Prostatakrebs kann ein Androgenentzug das Wachstum der bösartigen Zellen hemmen (s. Hormontherapie). Deshalb nahm man an, dass Androgene auch zur Entstehung von Prostatakrebs beitragen (Androgen-Hypothese; s. auch Ursachen des Prostatakarzinoms). Einige frühere Studien sprachen dafür, dass ein niedriger Androgenspiegel das Risiko für Prostatakrebs erhöht, speziell für einen aggressiven Tumor. In anderen Untersuchungen fand sich jedoch kein Zusammenhang oder sogar das Gegenteil. Denkbare Gründe für diese widersprüchlichen Ergebnisse sind zahlreich, zum Beispiel, dass nur sehr niedrige Spiegel das Prostatawachstum anregen und ein Mehr an Androgenen keinen zusätzlichen Effekt hat (Sättigungsmodell).

Gründe für die Studie und Durchführung

Um herauszufinden, ob Androgene (männliche Geschlechtshormone) das Prostatakrebsrisiko beeinflussen, wurde nun eine frühere US-amerikanische Untersuchung neu ausgewertet (REDUCE, veröffentlicht 2004). In dieser aussagekräftigen Studie wurde geprüft, ob ein bestimmtes Medikament das Risiko für Prostatakrebs reduziert. Dazu wurden bei allen Teilnehmern unter anderem die Spiegel von PSA und Androgenen (Testosteron und DHT) bestimmt sowie nach 2 und 4 Jahren eine Prostatabiopsie durchgeführt (Letzteres minimierte den möglichen Fehler, dass ein Tumor nicht entdeckt wird, weil keine Biopsie erfolgt). Die REDUCE-Studie schloss zum Vergleich Männer mit ein, die den Wirkstoff nicht erhielten (Plazebo-Gruppe). Von diesen gut vier tausend Männern konnte ein Großteil in die jetzige Auswertung einbezogen werden.

Ergebnisse und Beurteilung

Bei jedem vierten Mann (819 von 3255) wurde im Verlauf der vierjährigen Studie Prostatakrebs entdeckt, davon hatte wiederum nur gut jeder vierte (27,8%) einen hochgradigen Tumor (Gleason-Score ab 7). Nur bei erniedrigtem Testosteronspiegel (weniger als 10 nmol/l) stieg das Prostatakrebsrisiko mit dem Spiegel bis zu einem Höchstwert an. Bei normalen Testosteronwerten setzte sich dieser Anstieg aber nicht weiter fort. Dennoch war die Rate der entdeckten Tumoren in beiden Fällen fast gleich (bei einem niedrigeren Grenzwert von z.B. 7 nmol/l hätten sie sich vermutlich unterschieden). Ebenso fand sich kein Zusammenhang zwischen DHT-Spiegel und Prostatakrebsrisiko sowie zwischen beiden Androgenen und dem Gleason-Score der entdeckten Tumoren.

Frühere Untersuchungen, wonach niedrige Androgenspiegel das Risiko für Prostatakrebs erhöhen, vor allem für eine hochgradige Form, wurden nicht bestätigt. Dies könnte jedoch auch daran liegen, dass Männer mit einer zuvor schon positiven Biopsie aus der REDUCE-Studie ausgeschlossen waren. Eine Aussage über das Risiko bei sehr niedrigen Spiegeln (z.B. nach Kastration) war mangels Daten nicht möglich.

Männer mit dem niedrigsten Testosteronspiegel hatten das geringste Prostatakrebsrisiko. Es erhöhte sich mit dem Spiegel bis zu einem „Sättigungspunkt“ und blieb dann gleich. Dies lässt vermuten, dass das Sättigungsmodell, das die Förderung des Prostatawachstums durch Androgene beschreibt, auch hier gilt. Warum DHT das Risiko nicht genauso beeinflusste, ist jedoch unklar. Trotz einiger Einschränkungen unterstützen die Ergebnisse dieser Untersuchung die Aussagen anderer Studien.

Fazit der Autoren

Im Plazebo-Arm der REDUCE-Studie zeigten sich Prostatakrebsrisiko und Tumorgrad unabhängig von den Ausgangsspiegeln von Testosteron und DHT. Dass die niedrigsten Testosteronspiegel mit dem geringsten Krebsrisiko einhergingen, sprechen für ein Sättigungsmodell, was aber in weiteren Studien bestätigt werden muss.

Anmerkung: Diese Untersuchung liefert einen Beitrag zur Diskussion über Androgene (v.a. Testosteron) als Auslöser von Prostatakrebs. Das Prinzip des Androgenentzugs zur Behandlung eines (in der Regel fortgeschrittenen) Prostatakarzinoms wird davon nicht berührt und gilt weiterhin uneingeschränkt (s. Hormontherapie).

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