Prostatakarzinom (PCa) und Lebensqualität
Über die Lebensqualität von Patienten mit Prostatakarzinom (PCa), die eine aktive Überwachung (AS) erhalten
Bis heute ist die optimale Behandlungsoption für Männer mit risikoarmem Prostatakarzinom (PCa) unklar. Studienergebnisse zur aktiven Überwachung (AS) von Patienten mit risikoarmen PCa deuten darauf hin, dass es sich um eine vielversprechende Behandlungsoption handelt. Autoren aus den Vereinigten Staaten untersuchten jetzt die Auswirkung einer AS auf die Lebensqualität von Männern mit PCa im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden.1
Nicht alle Männer, die im Laufe ihres Lebens ein PCa entwickeln, müssen mit einer tumorbedingten Einschränkung ihrer Lebenserwartung oder Lebensqualität rechnen. Autopsiestudien haben schon vor Jahrzehnten gezeigt, dass die Zahl der “Karzinomträger“ um ein Vielfaches höher ist als die Zahl derer, die an einem PCa erkranken oder versterben.2 Aufgrund der veränderten PCa-Diagnostik in den letzten Jahren, werden heute viele Karzinome früher erkannt. Vor diesem Hintergrund erhöht sich die Rate vermeintlich kurativer Therapien. Ein hoher Anteil von Übertherapie ergibt sich v. a. in der Gruppe der Patienten mit Tumoren des niedrigen Risikos. Diese entscheiden sich dennoch häufig für eine aggressive Behandlung.2
Therapiemöglichkeiten wie die Brachytherapie, Bestrahlung und eine radikale Prostatektomie bergen jedoch spezifische Risiken, die sich negativ auf die Lebensqualität auswirken. Dazu gehören Störungen der Sexual-, Darm- und der Harnwegsfunktion.1 Eine Alternative bietet die AS. Diese hat das Ziel, die aktive Behandlung bis zu dem Zeitpunkt aufzuschieben, an dem sich Hinweise auf eine Progression ergeben. Hierzu wird eine engmaschige Verlaufskontrolle vorgenommen. Ziel der AS ist die Reduktion der Überbehandlung früher Tumorstadien ohne Senkung der Heilungsraten.2
In früheren Studien erwies sich eine AS im Vergleich zu radikaler Prostatektomie und Strahlentherapie als vorteilhafter hinsichtlich einer besseren Sexual- und Harnwegsfunktion. Weitere Studienergebnisse zeigten, dass die Mortalität bei Patienten mit lokalisiertem Prostatakrebs nach einer radikalen Prostatektomie nicht signifikant niedriger war als bei Patienten, die eine AS erhielten(p = 0,06). Trotz dieser Vorteile wird die AS in den Vereinigten Staaten nur selten angewendet.1
Das Ziel eines aktuellen Reviews war es, einen Überblick aus der Literatur über die Auswirkungen einer AS auf die Lebensqualität von Prostatakrebs-Patienten zu geben. Die aktuelle Überprüfung umfasste 37 Artikel, in denen die Lebensqualität bei Männern mit lokalisiertem PCa unter AS geprüft wurde. Alle Studien nutzten validierte Fragebögen, um Informationen über die Lebensqualität zu sammeln. Mithilfe dieser Fragebögen wurden verschiedene Themen wie Angst, Depression, körperliche Stärke, das allgemeine Wohlbefinden bewertet. 26 der überprüften Artikel konzentrierten sich auf die Messung von kombinierten Lebensqualitätsfaktoren wie Sexual-, Blasen- und Darmfunktion plus Angst und Depression. Die restlichen 11 Artikel umfassten ausschließlich die beiden Faktoren Angst und Depression. Bei den Studienprobanden handelte es sich hauptsächlich um Männer mit weißer Hautfarbe. Asiatische, hispanische oder Probanden mit schwarzer Hautfarbe wurden nur vereinzelt in die Studien eingeschlossen.1
Nach Angaben der American Cancer Society beinhaltet eine AS die Messung des prostataspezifischen Antigens sowie eine digital-rektale Untersuchung in einem sechsmonatigen Abstand und eine jährliche Prostatabiopsie. Während der AS folgt der Arzt einem Protokoll, um das Wachstum des Prostatakarzinoms zu überwachen. Bis heute gibt es jedoch keine etablierte, festgelegte Vorsorgeuntersuchung, daher weisen die Protokolle Unterschiede auf.1
Die Mehrheit der Studienergebnisse zeigten, dass Personen, die eine radikale Prostatektomie oder externe Strahlentherapie erhielten, auch nach drei Jahren eine beeinträchtigte Sexualfunktion, höhere Harninkontinenz und stärkere Darmfunktionsstörungen aufwiesen, verglichen mit Patienten, die eine AS erhielten. Die invasive Natur der Operation und die Auswirkungen der Bestrahlung waren weitaus schädlicher als die der AS.1
Patienten unter AS zeigten zudem in der überwiegenden Mehrheit ein niedrigeres Maß von Angst und Depression. Nur wenige Studienergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede und drei Studien wiesen ein höheres Maß von Angst- und Depressionen unter AS auf. Ein direkter Vergleich ist hier jedoch nicht möglich, da die drei Studien sehr unterschiedlich angelegt waren (geringe Stichprobengröße von 30 vs. 1.438, unterschiedliche Fragebögen zur Beurteilung der Angst, unterschiedliche Behandlungsarten). Obwohl die Anzahl dieser Ergebnisse sehr begrenzt war, empfehlen die Autoren weitere Studien im Bereich der psychischen Gesundheit von Patienten mit risikoarmen PCa durchzuführen.1
Die Ergebnisse der Untersuchung können zudem nicht auf alle Bevölkerungsgruppen übertragen werden. Bei den meisten Studienprobanden handelte es sich um Männer kaukasischer Abstammung. Afroamerikanische Männer weisen höhere Raten und aggressivere Formen von PCa auf. Das Sterberisiko ist bei diesen Patienten 2,4mal höher als bei weißen Männern. Dieser relevante Unterschied reduziert den Nutzen von AS für Afroamerikaner. Aufgrund der unverhältnismäßig geringen Anzahl von afroamerikanischen Männern in der Probandenpopulation können die vorliegenden Ergebnisse nicht verallgemeinert werden. Die Indikation für eine AS muss bei diesen Patienten durch strengere Kriterien geprüft werden, zudem sind weitere Studien erforderlich.1
Fazit:
Insgesamt deuten die Ergebnisse der aktuellen Überprüfung darauf hin, dass eine AS im Vergleich zu anderen Behandlungsformen einen geringeren negativen Einfluss auf die Lebensqualität von Patienten mit risikoarmen PCa hat. Harninkontinenz, sexuelle Beeinträchtigungen und Funktionsstörungen des Darms sowie verstärkte Ängste und Depressionen sind relevante Probleme, die im Rahmen einer Behandlung des PCa auftreten können. Diese beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten stark. Die Strategie der aktiven Überwachung zeigte in der Mehrzahl der Studien eine bessere Sexual-, Blasen- und Darmfunktion und eine niedrigere Rate von Angst und Depression im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden.
Auch in den deutschen Leitlinien wird darauf hingewiesen, dass bei einem lokal begrenzten PCa Patienten, sowohl über sofortige lokale Therapieoptionen (radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie, Brachytherapie) sowie auch über das Konzept der AS informiert werden sollen.2 Bevor mit Patienten über AS gesprochen wird, ist zu prüfen, ob die geeigneten Tumorcharakteristika vorliegen. In den deutschen Leitlinien sind folgende Einschlusskriterien für eine AS aufgeführt: 2
PSA ≤ 10 ng/ml
Gleason ≤ 6
cT1 und cT2a
Tumor in ≤ 2 Stanzen bei leitliniengerechter Entnahme von 10-12 Stanzen
≤ 50 % Tumor in einer Stanze
Bei der Indikationsstellung sollen Alter und Komorbidität berücksichtigt werden.
Wenn die Einschlusskriterien in einem Kriterium nicht mehr erfüllt sind, oder sich die PSA-Verdopplungszeit auf weniger als drei Jahre verkürzt, soll zu einer Beendigung der AS geraten werden.2
Autor: bb
Dickey SL and Gryson CJ. The Quality of Life among Men Receiving Active Surveillance for Prostate Cancer: An Integrative Review. Healthcare 2019, 7, 14.
Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. Version 5.0, April 2018. AWMF-Registernummer: 043/022OL.