Sport bei Krebs – Muskelaufbau durch Zellaktivierung

Dass körperliche Ertüchtigung zum Muskelwachstum beitragen kann, ist bekannt. Für Krebspatienten ist Bewegung vor allem wichtig, um einem krankheitsbedingten Muskelabbau entgegenzuwirken. Interessant sind dabei vor allem die Prozesse auf zellulärer Ebene.

Bei vielen Krebspatienten, insbesondere auch beim Prostatakarzinom, kann es zum Muskelschwund und somit zu einer nachlassenden körperlichen Kraft kommen. Diese sogenannte Sarkopenie hat verschiedene Ursachen. Zum einen führen die nachlassende körperliche Aktivität und auch ein möglicher therapiebedingter Testosteronmangel zum Muskelabbau, zum anderen kann es zu einer gegenseitigen Beeinflussung von Muskel und Tumor kommen.

Wichtige Prozesse

Möchte man das Muskelwachstum fördern, ist es interessant, den Prozess der Stammzellaktivierung zu kennen und daraus eventuell Rückschlüsse für ein entsprechendes Training zu ziehen. Zum Hintergrund: In den Muskeln befinden sich spezielle Stammzellen – sogenannte Satellitenzellen, die in aktivem Zustand unmittelbar am Muskelaufbau beteiligt sind. Doch wie aktiviert man diese Zellen? Ein Wirkstoff, der dafür gut geeignet ist, ist Testosteron. Wenn es aber aufgrund einer medikamentösen Behandlung des Prostatakarzinoms zu einem Testosteronmangel kommt, sollte man erst recht unbedingt auf Sport zurückgreifen.

Denn körperliche Ertüchtigung führt ebenfalls zur Aktivierung der Satellitenzellen und somit zum Muskelwachstum. Voraussetzung dafür wiederum ist, dass in den aktivierten Zellen genug Zellkerne gebildet werden. Denn nur diese können die zur Bildung neuer Muskelfasern wichtigen Prozesse (Proteinsynthese) in Gang setzen. So zeigte sich, dass stetiges einheitliches Training zwar Stammzellen aktivieren kann, jedoch keine zusätzlichen Zellkerne gebildet werden und die wichtige Proteinsynthese damit ausbleibt.

Training in Perioden

Wie auch auf Zellebene effektives Training aussehen kann, zeigen Untersuchungen mit Radsportlern. Diese trainieren bekanntermaßen in Perioden: Im Winter überwiegt sogenanntes hoch-voluminöses Training (HVT), etwa Krafttraining mit möglichst vielen langen Übungssätzen, bei denen die Muskeln bis zur Ermüdung beansprucht werden. Im Sommer bzw. der Wettkampfsaison wird dann hauptsächlich hoch-intensiv trainiert (HIT) – mit kurzen, aber sehr harten Übungseinheiten.

Zelluntersuchungen bei diesen Sportlern zeigen, dass es mit den verschiedenen Trainingsblöcken zu einer Wellenbewegung der Stammzellaktivierung bzw. der Zellkernbildung kommt: Während im Winter beim Volumen-Training vermehrt Satellitenzellen aktiviert werden und dieser Effekt im Sommer abnimmt, ist es bei den Zellkernen umgekehrt. Sie werden hauptsächlich im Sommer durch das intensivere Training gebildet und die Produktion nimmt im Winter wieder ab.

Genau diese Prozesse machen den Erfolg der periodisierten körperlichen Aktivität aus: Zuerst werden vermehrt Stammzellen aktiviert, um in diesen anschließend zahlreiche Zellkerne zu bilden und somit Proteinsynthese und Muskelwachstum zu ermöglichen. Wichtig bei beiden Phasen ist eine ausreichende Regenerationszeit für die Muskeln.

Für die Praxis

Von der Tatsache, dass ein solches Trainingsprogramm hauptsächlich von Profisportlern praktiziert wird, sollten sich Freizeitsportler aber nicht abschrecken lassen. Und auch für Krebspatienten gilt, dass körperliches Training in Blöcken verschiedener Intensität mehr bewirken kann als einheitliches Training über einen längeren Zeitraum. Aus diesem Grund sollten diese Erkenntnisse auch bei entsprechenden Physiotherapien oder Rehaprogrammen beachtet werden. Dies wird künftig sicher zunehmend der Fall sein.

Quelle:

  • Vortrag „Quo Vadis körperliche Aktivität bei Prostatakarzinom“, Prof. Dr. Wilhelm Bloch, Deutsche Sporthochschule Köln, 5. März 2016

Autorin: Anne Göttenauer, 09.03.2017

Weitere Artikel die Sie interessieren könnten: