Rehabilitation nach Prostatakrebs-Behandlung

Nach einer Therapie des Prostatakrebses hat der Patient, gesetzlich geregelt, in Deutschland Anspruch auf eine Anschlussheilbehandlung (AHB) im Sinne einer Rehabilitationsmaßnahme. Ziel ist, Körper und Seele sollen sich von den Folgen des Tumors und seiner Therapie wie Harninkontinenz oder Erektionsstörungen erholen, unterstützt durch besondere Maßnahmen und oft bereits während einer Anschlussheilbehandlung.

Unter Rehabilitation versteht man die Wiederbefähigung eines Menschen zur Teilnahme am normalen gesellschaftlichen (beruflichen und privaten) Leben nach einer Krankheit oder Verletzung oder bei einer Behinderung. Dazu soll seine so genannte funktionale Gesundheit so weit wie möglich wieder hergestellt werden. Eine solche liegt vor, wenn die Funktionen und Strukturen von Körper und Geist, seine Aktivitäten und seine Teilhabe am Leben unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren „normal“ sind (nach der ICF der WHO 2001, ICF = International Classification of Functioning, Disability and Health).

Diese (komplizierte) Definition bildet die Basis für alle Maßnahmen in der Rehabilitation, die im Sozialgesetzbuch (SGB) der Bundesrepublik Deutschland geregelt ist. Danach können Rehabilitationsleistungen von verschiedenen Trägern erbracht werden, zum Beispiel von den Krankenkassen (v. a. zur medizinischen Nachbehandlung) und der Rentenversicherung (v.a. zur beruflichen Wiedereingliederung). Damit soll gegen mögliche Langzeitfolgen von Krankheit und Therapie vorgebeugt werden (Tertiärprävention, s. auch Prävention), um unter anderem Erwerbsunfähigkeit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit oder einen Bedarf an Sozialleistungen zu vermeiden.

Rehabilitative Maßnahmen können bereits bei der Diagnose der Krankheit beginnen, nach deren Therapie stationär, teilstationär oder ambulant durchgeführt werden und sich während einer langjährigen ambulanten Nachsorge fortsetzen. Auch die Einbeziehung des Umfelds des Betroffenen (z. B. Partnerin, Vorgesetzter) ist sinnvoll.

Allgemeine Ziele der Rehabilitation

Die Rehabilitation soll die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Betroffenen wiederherstellen, seine Funktionen und Aktivitäten fördern und seine Abwehrkräfte aktivieren. Sie soll ihn aber auch zur Mitarbeit und Selbsthilfe motivieren, zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil anleiten, seelisch stabilisieren und bei seiner Krankheitsbewältigung unterstützen. So verbessert dies das Allgemeinbefinden und steigert die (gesundheitsbezogene) Lebensqualität.

Dazu kommen verschiedenste Maßnahmen infrage wie die Physiotherapie mit Wasser- und Wärmeanwendungen, Krankengymnastik und körperlichem Training. Der Vorbeugung, auch gegen andere Krankheiten dient das Gesundheitstraining. Es umfasst beispielsweise Ausdauersport, Rauchentwöhnung und gesunde Ernährung (Ernährungstherapie, möglichst unter Einbeziehung der Partnerin, mehr dazu s. Unkonventionelle Behandlungsverfahren bei Prostatakrebs).

Die eventuell aufgetretenen seelischen und sozialen Auswirkungen der Krebserkrankung sollten von erfahrenen Psychoonkologen (psychosoziale Onkologen) betreut werden: Speziell auf diesem Gebiet geschulte Ärzte oder Psychologen begleiten, beraten und behandeln den Betroffenen und seine Angehörigen. Ergänzt wird das Angebot an Maßnahmen durch Informationen (z. B. über weitere Therapiemöglichkeiten), die Unterstützung durch den Sozialdienst (z. B. bei Leistungsanträgen) und berufliche Hilfen.

Rehabilitation bei Prostatakrebs

Den Patienten mit Prostatakrebs, die lokal kurativ (örtlich mit Heilungsabsicht) behandelt wurden (radikale Prostatektomie, Strahlentherapie), sollte eine fachspezifische Rehabilitation angeboten werden, zum Beispiel in Form einer Anschlussheilbehandlung (AHB). Diese erfolgt stationär und wird meist vom Krankenhausarzt für die Zeit nach der Entlassung organisiert. Die Rehabilitation sollte unter Beteiligung von Urologen, bei Begleiterkrankungen des Patienten auch von anderen Fachärzten und mit Hilfe „mehrgleisiger“ Behandlungen erfolgen. Dabei sollte dem Patienten auch eine psychoonkologische Betreuung angeboten werden, um die Krankheitsverarbeitung zu unterstützen (s. vorheriger Absatz).

Ziele der Rehabilitation bei Prostatakrebs sind:

  • Behandlung von therapiebedingten Funktionsstörungen, nach radikaler Prostatektomie vor allem Harninkontinenz (unfreiwilliger Urinverlust) und erektile Dysfunktion (Störung der Gliedversteifung), nach Strahlentherapie vor allem Funktionsstörungen von Harnblase und Darm sowie ebenfalls erektile Dysfunktion
  • Wiederherstellung der körperlichen und seelischen Leistungsfähigkeit
  • Wiederbefähigung zur Teilhabe am normalen gesellschaftlichen Leben
  • Erhalt oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, sofern der Patient noch nicht berentet ist

Prinzipiell ist zu unterscheiden zwischen Rehabilitationsmaßnahmen nach einer Operation (radikale Prostatektomie/RPE) oder nach einer Bestrahlung.

Nach einer operativen Therapie stehen die möglichen postoperativen Funktionsstörungen im Vordergrund. Die Harninkontinenz ist dabei zunächst häufig, geht aber innerhalb der ersten sechs Monate nach der Operation deutlich zurück, so dass 90 % der operierten Patienten nach einem Jahr in der Regel kontinent sind. Die postoperative erektile Dysfunktion hängt laut wissenschaftlicher Literaturangaben nicht zuletzt vom Untersuchungszeitpunkt, vom Erektionsvermögen vor der Operation, vom Patientenalter und davon ab, ob aus tumorbedingten Gründen während der Operation eine Schonung des dafür verantwortlichen Gefäßnervenbündels erfolgten konnte oder nicht.

So hat sich ein multimodales Konzept zur postoperativen Behandlung dieser genannten Probleme bewährt.

Wiedererlangung der Harnkontinenz

Die radikale Prostatektomie kann den inneren Blasenschließmuskel so schwächen, dass der äußere in der Beckenbodenmuskulatur alleine für die Harnkontinenz (das „Wasserhalten“) sorgen muss. Oft gelingt dies nicht auf Anhieb, woraus eine Harninkontinenz (unfreiwilliger Urinverlust) resultiert. Dabei handelt es sich meist um eine Belastungsinkontinenz, das heißt einen Harnabgang bei einer mehr oder weniger starken Belastung (z. B. durch Husten, Niesen, Lachen, Sport). Dies bessert sich normalerweise im Verlauf der Heilung nach der Operation.

Die Harninkontinenz nach radikaler Prostatektomie soll „mehrgleisig“ behandelt werden. Bei Belastungsinkontinenz soll die Physiotherapie im Mittelpunkt stehen: Inkontinente Patienten erhalten geeignete Hilfsmittel (z. B. Vorlagen) und absolvieren ein spezielles Kontinenztraining (KT, s. auch Beckenbodentraining), das bei Bedarf mit Medikamenten, Elektrostimulation oder Biofeedback (Training mit Rückmeldung des Erfolgs) ergänzt wird. Spätere operative Eingriffe wie die Unterspritzung der Harnröhrenschleimhaut oder das Einsetzen eines Schlingensystems oder eines künstlichen Schließmuskels sind nur selten erforderlich (Näheres hierzu im Magazin unter Operation bei Harninkontinenz nach radikaler Prostatektomie). Andere Formen der Harninkontinenz müssen ausgeschlossen beziehungsweise behandelt werden (s. hierzu auch Harninkontinenz).

Nach Strahlentherapie kann eine Dranginkontinenz auftreten, also ein Urinverlust bei starkem Harndrang, verursacht durch eine Reizung der Blase mit Überaktivität der Muskulatur. Zu einer so genannten neurogenen Harninkontinenz durch strahlenbedingte Schädigung von Nerven, die die Blase versorgen, kommt es sehr selten. Beide Formen werden vornehmlich medikamentös behandelt. Eine Dranginkontinenz oder mit Belastungsinkontinenz gemischte Form ist auch nach radikaler Prostatektomie möglich (zu Formen, Untersuchung und Behandlung s. auch Harninkontinenz). Im Vordergrund stehen nach Strahlentherapie die Maßnahmen zur Beherrschung eventuell aufgetretener Harnblasenfunktions- wie auch Darmfunktionsstörungen, da sowohl Harnblase als auch Enddarm wegen ihrer anatomisch unmittelbaren Nähe zur Prostata durchaus auf Grund der Bestrahlung „gereizt“ sein können, ebenso wie auch die Sexualfunktion beeinträchtigt sein kann.

Wiedererlangung der Sexualfunktion

Vor allem durch Beeinträchtigung der Nerven, die an der Prostata entlang laufen, kommt es bei den meisten Patienten direkt nach einer radikalen Prostatektomie zu einer mehr oder weniger ausgeprägten erektilen Dysfunktion (ED), einer Störung der Erektion (Gliedversteifung; s. auch Erektile Dysfunktion). Davon betroffen sind auch viele Patienten während oder nach einer Strahlen-, Hormon- und Chemotherapie, wobei die ED mit zum Teil erheblicher zeitlicher Verzögerung auftritt. Hier und bei der Operation können auch andere Mechanismen eine Rolle spielen wie Gefäßschäden und Auswirkungen auf den Hormonhaushalt und die Psyche.

Bei einer ED kommt es mit der Zeit zu Veränderungen der Schwellkörper des Penis, die deren Elastizität vermindern und damit das spätere Wiedererlangen der Erektionsfähigkeit erschweren. Deshalb sollte eine baldige ausführliche Beratung noch während der AHB über mögliche Störungen der Sexualfunktion und über Partnerschaftsprobleme erfolgen, eventuell unter Einbeziehung der Partnerin. Wichtig ist ein frühzeitiges Schwellkörpertraining, das auch schon vor oder direkt nach der Tumortherapie beginnen kann. Hierzu kommen die Einnahme von Medikamenten und andere Maßnahmen in Betracht (s. u. und Erektile Dysfunktion), unterstützt durch Sport, Physiotherapie sowie entspannende und psychotherapeutische Verfahren.

Bei Patienten, die kurativ (mit dem Ziel der Heilung) behandelt wurden (radikale Prostatektomie, Strahlentherapie), können zur Therapie der erektilen Dysfunktion eingesetzt werden: PDE-5-Hemmer, Vakuumerektionssysteme („Pumpen“), SKAT (Schwellkörperautoinjektionstherapie) oder intraurethrales Prostaglandin E1 (Erläuterungen zu allen Verfahren s. Erektile Dysfunktion).

Zunächst sollte ein PDE-5-Hemmer eingesetzt werden. Falls dieser nicht ausreichend wirkt, sollten die anderen oben genannten Verfahren unter Berücksichtigung des Patientenwunsches erwogen werden. Dass bei Patienten, die mit beidseitiger Nervenschonung operiert wurden (s. radikale Prostatektomie), eine regelmäßige abendliche Einnahme eines PDE-5-Hemmers Vorteile bietet gegenüber einer Einnahme nur bei Bedarf, ist nicht nachgewiesen. Entscheidend für den Erfolg ist, dass der Patient ein Verfahren ausprobieren kann, bis er es beherrscht, und nicht aufgibt, wenn „es nicht auf Anhieb klappt“.

Rehabilitation weiterer Beschwerden

Zahlreiche Beschwerden können während der Rehabilitation eine gezielte Diagnostik und Therapie erforderlich machen. Zum Beispiel werden Lymphödeme (Ansammlungen von Gewebeflüssigkeit) durch operativen oder strahlenbedingten Verschluss von Lymphgefäßen verursacht und lassen sich gut mit Lymphdrainagen behandeln. Eine Harnabflussstörung kann durch eine Schwellung der Prostata nach Strahlentherapie oder des umgebenden Gewebes nach radikaler Prostatektomie entstehen und gegebenenfalls passager einen Blasenkatheter oder Medikamente erfordern (s. hierzu auch Medikamente zur BPS-Behandlung).

Weitere Beispiele für mögliche Beschwerden, die einer speziellen Therapie bedürfen, sind Harnweginfekte, Undichtigkeit oder später narbige Einengung der neuen Harnröhrenverbindung nach radikaler Prostatektomie (Anastomoseninsuffizienz, Anastomosenstriktur), Mastdarmentzündungen (Proktitis) nach Strahlentherapie, Narbenschmerzen, Hormonmangelerscheinungen, Erschöpfung (Fatigue-Syndrom) und Schlafstörungen.

Weitere Artikel die Sie interessieren könnten: