Weitere systemische Therapien des Prostatakrebses (Prostatakarzinoms)

Die Behandlung mit neuen Verfahren wie der Target-Therapie und der Immuntherapie wird bei einem androgenunabhängigen Prostatakrebs derzeit versucht. Viele dieser Therapie-Optionen befinden sich jedoch noch in der Studienphase und lassen derzeit keine abschließende Beurteilung zu.

Im Gegensatz zur lokalen wird bei der systemischen Therapie der gesamte Körper (das System) behandelt. Bei Prostatakrebs erfolgt eine systemische Therapie in der Regel dann, wenn der Tumor wahrscheinlich oder nachgewiesenermaßen nicht mehr auf die Prostata begrenzt ist. Sie umfasst die Hormontherapie, die Chemotherapie, die Radionuklidtherapie mit Radium-223 bei Knochenmetastasen sowie weitere Verfahren, die im Folgenden beschrieben werden.

Diese Verfahren werden gegenwärtig in Deutschland fast nur im Rahmen von Studien (evtl. zeitgleich mit einer Chemotherapie) eingesetzt, meist dann, wenn der Tumor während einer Hormontherapie trotz unterdrückter Androgene (männliche Geschlechtshormone) fortschreitet, also bei einem androgenunabhängigen Prostatakarzinom (kastrationsresistenten Prostatakarzinom, CRPC; Näheres zu dessen Definition und den Behandlungsgrundzügen im Abschnitt „Hormontherapie“ unter Fortschreitender Prostatakrebs unter Hormontherapie).

Target- Therapie

Unter Target-Therapie (engl. targeted therapy = gezielte Therapie) fasst man verschiedene Methoden der medikamentösen Behandlung bösartiger Tumoren zusammen. Allen ist gemein, dass sich die verwendeten Wirkstoffe gegen spezielle Moleküle richten (zum Beispiel Rezeptoren), die mit dem Wachstum von Tumorzellen zu tun haben, etwa mit der Teilung oder Reifung der Zellen, der Energieversorgung der Zellen, dem programmierten Zelltod (Apoptose), der Weiterleitung von Signalen in den Zellen oder der Neubildung von Gefäßen (Angiogenese). Auch manche Zytostatika wirken über derartige (zum Teil noch unbekannte) Rezeptoren. Dennoch rechnet man sie zur Chemotherapie, während zur Target-Therapie neuere Medikamente zählen. Die Abgrenzung ist also nicht ganz klar.

Die Wirkstoffe blockieren als Antikörper (monoklonale Antikörper, MAB) spezielle Rezeptoren (beispielsweise den Androgen-Rezeptor) oder hemmen als kleine Moleküle (engl. small molecules) die Bildung wichtiger Eiweiße (Antisense-Moleküle) oder die Wirkung von Enzymen, die zur Aktivierung von Rezeptoren nötig sind (zum Beispiel Tyrosinkinase). So wirken sie unter anderem gegen Rezeptoren für Wachstumsfaktoren (Wachstumshemmer), gegen Faktoren, die die Gefäßneubildung anregen (Angiogenesehemmer) oder gegen das gefäßverengende Endothelin (Endothelin-1-Antagonisten). Beispiele sind Trastuzumab, Sunitinib, Sorafenib, Bevacizumab, und Ipilimumab.

Immuntherapie: „Impfung“

Bei der Immuntherapie werden Wirkstoffe zugeführt, die das körpereigene Abwehrsystem (Immunsystem) beeinflussen: Man kann es unterdrücken (Immunsuppression, zum Beispiel mit Kortison gegen Transplantatabstoßung), mit Antikörpern (Abwehrstoffen) unterstützen (passive Impfung, etwa bei einer Verletzung gegen Tetanus) oder mittels Immunstimulation anregen. Bei Letzteren unterscheidet man unspezifisch und spezifisch wirksame Maßnahmen: Unspezifische verändern oder aktivieren das Abwehrsystem ganz allgemein (Näheres dazu im Abschnitt „Unkonventionelle Behandlungsverfahren“ unter Immunologische Behandlung). Spezifische bringen hingegen das Immunsystem dazu, die Krankheit gezielt zu bekämpfen. So kann man beispielsweise durch Zufuhr von Antigenen (abwehrerregende Stoffe) die Bildung von Antikörpern fördern (aktive Impfung, zum Beispiel gegen Grippe).

Diese Verabreichung von Impfstoffen (Vakzinen) dient also der Vorbeugung gegen Krankheiten. Dennoch spricht man auch bei der Behandlung bösartiger Tumoren von (therapeutischer) Impfung, wenn dabei Impfstoffe aus Tumorantigenen gegeben werden (Tumorvakzinen). Die Bekämpfung des Tumors wird allerdings dadurch erschwert, dass bösartige Tumoren vor allem im fortgeschrittenen Stadium ihre Antigene ändern und das Immunsystem unterdrücken können, sodass sie dann der Abwehr entgehen.

Zur spezifischen Immuntherapie von Prostatakrebs gibt es verschiedene Tumorvakzine. Sie können hergestellt sein aus Krebszellen des Patienten (aus autologen Tumorzellen), aus Labor-Zell-Linien oder Krebszellen anderer Patienten (aus allogenen Tumorzellen), aus speziellen Abwehrzellen des Patienten (aus autologen dendritischen Zellen für sogenannte DC-Vakzinen, DC = engl. dendritic cells), aus Tumorantigen-ähnlichen Eiweißen oder aus Tumorantigen-beladenen Viren.

Diese Tumorvakzine (z. B. Sipulencel T) wurden 2013 in Europa zugelassen, haben aber keine Zulassung in Deutschland und sind inzwischen vom Markt genommen worden.

Neue Substanzen

Neue Ansätze zur Therapie des Prostatakrebses befinden sich in der wissenschaftlichen Prüfung. So werden Präparate, die das Immunsystem beeinflussen, derzeit getestet, z. B. Tasquinimod und Ipilimumab, deren Nebenwirkungen jedoch erheblich sind.

Die neue so genannte biopolare Androgen-Therapie nutzt die Schwankungen des hohen und niedrigen Testosteron-Spiegels, indem unter laufender LH-RH-Antagonisten-Behandlung in vierwöchigen Abständen Testosteron in den Muskel injiziert wird mit der Zielstellung, eine Resensibilisierung für Enzalutamid zu erreichen.

Abschließend ist festzustellen, dass Enzalutamid im Stadium eines kastrationsresistenten Prostatakrebses neben Cabazitaxel maßgeblich eingesetzt werden wird. Die Behandlung mit Abirateron auch für hormonsensitive Prostatakarzinome, wie auch Docetaxel, wird zukünftig mehr genutzt werden.

Weitere Therapieverfahren

Die Gentherapie hat zum Ziel, defekte Gene (Erbinformationen in Form von DNA) in Zellen zu ersetzen oder zusätzliche Gene dort einzuschleusen. Dazu werden in der Regel ungefährliche Viren als „Gen-Fähren“ benutzt. Ein weiterer Ansatz ist die direkte Zerstörung von Zellen durch Viren (zum Beispiel Prostatakrebszellen durch das Sendai-Virus). Alle diese Verfahren bergen zwar große Hoffnungen, sie stehen aber teilweise noch vor ungelösten Problemen bzw. sind weiterhin Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschung.

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