Behandlungsplanung bei Prostatakrebs (Prostatakarzinom)

Die Auswahl des geeigneten Therapieverfahrens richtet sich maßgeblich nach dem Tumorstadium. Dennoch sind dabei zahlreiche individuelle Faktoren und weitere Merkmale des Tumors zu berücksichtigen.

Die Diagnose „Prostatakrebs“ ist kein Notfall! Überstürztes Handeln ist also unnötig. Weil jede aktive Behandlung zu Einschnitten in die Lebensqualität führen kann, will die Wahl der im Einzelfall besten Therapie gut überlegt sein, am besten gemeinsam mit dem behandelnden Urologen. Er kennt alle Befunde und kann den Betroffenen in dem anstehenden Entscheidungsprozess beraten und begleiten. Dabei spielen die Lebenssituation sowie die Befunde des Patienten eine große Rolle. Die wichtigsten Faktoren sind:

Alter des Betroffenen: Die meisten bösartigen Prostatatumoren wachsen sehr langsam. Deshalb ist das Risiko, an einer anderen Ursache zu versterben, umso höher, je älter der Betroffene ist. Für eine kurative (auf Heilung ausgerichtete) Behandlung, also für eine radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie und für die aktive Überwachung sollte seine Lebenserwartung noch mindestens zehn Jahre betragen. Dies ist im Allgemeinen bei Männern der Fall, die bis etwa 70 Jahre alt und altersentsprechend gesund sind. Die individuelle Lebenserwartung lässt sich dennoch im Einzelfall nur schwer abschätzen.

Allgemeinzustand und Begleiterkrankungen des Betroffenen: Diese Faktoren können einerseits die Lebenserwartung deutlich einschränken und andererseits bestimmte Behandlungsformen ausschließen, auf Dauer oder auch nur vorübergehend. So kann zum Beispiel eine radikale Prostatektomie bei Herzschwäche dauerhaft unmöglich, nach einem Herzinfarkt jedoch nach einigen Monaten wieder möglich sein.

Persönliche Einstellungen des Betroffenen: Jede aktive Behandlungsform hat bestimmte, vorhersehbare Nebenwirkungen und mögliche Komplikationen. Die Meinung des Patienten dazu beeinflusst die Wahl genauso wie andere persönliche Einstellungen und Bedürfnisse. Beispielsweise kann der Wunsch nach sicherer Entfernung des Tumors so groß sein, dass man sich auch im hohen Alter und trotz anderer Erkrankungen noch einer schweren Operation unterziehen will.

PSA-Wert: Ein hoher oder rasch steigender PSA-Wert spricht eher für ein zügiges und entschiedenes Eingreifen (zum PSA siehe auch Untersuchung und PSA-Bestimmung).

Typ und Malignität des Tumors: Die Gefährlichkeit von Prostatakrebs hängt vom Tumor-Typ ab und steigt mit seiner Malignität (Bösartigkeit). Letzteres drückt sich im abnehmenden Differenzierungsgrad (gut, mäßig, schlecht) aus, beim Prostatakarzinom auch als steigender Gleason-Score bzw. Helpap-Grad (Näheres zu Typing, Grading und Differenzierung siehe Klassifikation, zu weiteren günstigen Befunden siehe Stadien und Prognose).

Ausbreitung des Tumors: Wie weit sich der Tumor bei Diagnosestellung im Organismus bereits ausgebreitet hat, wird mit dem TNM-System erfasst (s. Wachstum und Ausbreitung) und bestimmt die Wahl der Behandlung wesentlich (s.u.). Grundsätzlich gilt: Lokale Behandlung (Operation, Bestrahlung) bei lokalem Prostatakarzinom und systemische (allgemeine) Behandlung (z. B. Hormontherapie) bei ausgebreitetem Tumor.

Behandlungsplanung beim nicht metastasierten Prostatakarzinom

Sind keine Tumorzellnester (Tochtergeschwülste) in den lokalen Lymphknoten (N0) oder an anderen Stellen des Körpers vorhanden (M0), spricht man von einem lokal begrenzten (T1-2) oder lokal fortgeschrittenen (T3-4) Prostatakrebs.

Bei einem Tumor, der zufällig in weniger (T1a) oder mehr (T1b) als 5% von entferntem Gewebe gefunden wurde (z.B. bei einer TUR-P wegen benignem Prostatasyndrom, s. Operationsverfahren zur BPS-Behandlung), empfiehlt sich zunächst eine Nachuntersuchung mit PSA-Bestimmung und gegebenenfalls Prostatabiopsie.

Patienten mit einem lokal begrenzten, klinisch nicht metastasierten Prostatakarzinom sollen über eine zeitnahe lokale kurative (heilende) Therapie (s. nächster Absatz), die aktive Überwachung (engl. active surveillance) aufgeklärt werden. Einzelheiten zu allen Therapieverfahren finden sich in den folgenden Abschnitten.

Wird eine lokale kurative Therapie angestrebt, muss der Patient die einzelnen Verfahren (radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie, Brachytherapie und aktive Überwachung) informiert werden. Dabei sollen mögliche unerwünschte Wirkungen und Folgen der ersten drei der genannten Verfahren gegen das Risiko einer nicht rechtzeitigen Therapie bei der aktiven Überwachung abgewogen werden.

Für die Entscheidung über das weitere Vorgehen bei lokal begrenztem Prostatakrebs ist wesentlich, wie hoch das Risiko für ein Fortschreiten des Tumors einzuschätzen ist (nach D’Amico):

  • Niedriges Risiko: PSA bis 10 ng/ml und Gleason-Score bis 6 und T1c oder T2a
  • Mittleres Risiko: PSA ≥ 10 bis 20 ng/ml oder Gleason-Score 7 oder T2b
  • Hohes Risiko: PSA ≥ 20 ng/ml oder Gleason-Score ≥ 8 oder T2c

Patienten mit einem lokal begrenzten oder lokal fortgeschrittenen Tumor, die kurativ behandelt werden können, sollte vor der Therapieentscheidung angeboten werden, sowohl von einem Urologen als auch von einem Strahlentherapeuten über die Vor- und Nachteile der radikalen Prostatektomie und der Strahlentherapie aufgeklärt zu werden.

Ausschlaggebend für die Entscheidung zu einem palliativen (eine Form der medizinischen Behandlung, die im Gegensatz zur kurativen Therapie nicht auf Heilung der Grunderkrankung abzielt, sondern auf die Linderung der mit der Erkrankung einhergehenden Symptome) Vorgehen sind der Patientenwunsch, eine eingeschränkte Lebenserwartung durch Alter oder Begleiterkrankungen und eine Tumor mit einem hohen Risiko für ein rasches Fortschreiten der Tumorerkrankung.

Behandlungsplanung bei Lymphknotenbefall (N1)

Ergeben die Untersuchungen bei Prostatakrebs, dass die Lymphknoten sehr wahrscheinlich oder nachweislich befallen sind (N1, nach feingeweblicher Untersuchung pN1), aber keine Fernmetastasen vorliegen (M0), kann lokal oder systemisch (allgemein) behandelt werden. Im ersten Fall mittels Operation oder Strahlentherapie, im zweiten Fall mittels sofortiger oder verzögerter Hormontherapie. Auch ein abwartendes Beobachten (engl. watchful waiting) ist möglich.

Eine Strahlentherapie soll bei Patienten mit nachgewiesenen Lymphknotenmetastasen in Kombination mit einer Hormontherapie über mindestens 2, besser 3 Jahre erfolgen. Findet sich der Lymphknoten-Befall bei einer radikalen Prostatektomie, kann eine adjuvante (ergänzende) Hormontherapie angeboten werden. Möglich positive Effekte der Lymphadenektomie (Lymphknotenentfernung, evtl. Heilung bei minimalem Befall) und der zusätzlichen Bestrahlung der Lymphabflusswege (evtl. in Kombination mit Hormontherapie) sind noch nicht im Detail geklärt und Gegenstand aktueller Forschung.

Behandlungsplanung bei Fernmetastasen (M1)

Patienten mit einem metastasierten Prostatakarzinom wird eine Hormontherapie empfohlen werden, wenn der Tumor Symptome (Krankheitszeichen) verursacht. Sind keine Symptome vorhanden, kann eine Hormontherapie angeboten werden. Der Einsatz neuer Medikamente (Enzalutamid, Abirateron) in Kombination mit einer Hormonbehandlung lässt bessere Ergebnisse (progressionsfreies Intervall, Gesamtüberleben) erwarten. Möglich ist in diesem Fall auch das abwartende Beobachten. Zum Vorgehen bei Androgen-unabhängigem und hormonrefraktärem Prostatakrebs siehe Fortschreitender Prostatakrebs unter Hormontherapie.

Behandlungsplanung beim rezidivierten Prostatakarzinom

Steigt der PSA-Wert nach radikaler Prostatektomie oder Strahlentherapie erneut an („PSA-Rezidiv“, „biochemisches Rezidiv“), kann dies ein Tumorrezidiv (lokales Wiederauftreten des Tumors) oder das Wachstum von Metastasen bedeuten. Je nach vorheriger Behandlung und Ursache können hier folgende Behandlungsmöglichkeiten infrage kommen: Nach radikaler Prostatektomie eine Strahlentherapie (Salvage-Strahlentherapie, salvage engl. = Rettung, Bergung), nach Strahlentherapie eine radikale Prostatektomie (Salvageprostatektomie) und nach beiden Verfahren das abwartende Beobachten oder die Hormontherapie bzw. Chemotherapie (Näheres s. radikale Prostatektomie und Strahlentherapie). Zum Rezidiv während Hormontherapie siehe Fortschreitender Prostatakrebs unter Hormontherapie.

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