Kastrationsresistentes Prostatakarzinom: Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten

Wie kann man den Prostatakrebs behandeln, wenn die Hormontherapie die Erkrankung nicht mehr in Schach halten kann? Besonders für den Fall, bei dem noch keine Metastasen aufgetreten sind, gibt es neue Therapiemöglichkeiten.

Ein fortgeschrittenes Prostatakarzinom lässt sich dadurch behandeln, dass man den Spiegel der männlichen Geschlechtshormone (Androgene) auf sehr niedrige Werte absenkt, in der Regel mittels Hormontherapie (Androgendeprivationstherapie, ADT). Wenn die Hormontherapie das Fortschreiten der Erkrankung nicht mehr aufhalten kann, bezeichnet man das Prostatakarzinom als „kastrationsresistent“ (Abkürzung: CRPC für „castration-resistant prostate cancer“). Kastrationsresistenz lässt sich daran erkennen, dass der Wert des prostataspezifischen Antigens (PSA-Wert) trotz Hormontherapie und niedrigem Testosteron-Spiegel ansteigt. Wenn der Prostatakrebs noch nicht gestreut hat, spricht man von einem „nicht-metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom“ (nm-CRPC). Bislang empfehlen die Therapie-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie in dieser Situation ein abwartendes Vorgehen; die Hormontherapie sollte dabei nicht abgesetzt werden, weil zu befürchten ist, dass sonst die Erkrankung zu rasch voranschreitet.

Was bedeutet hohes Risiko für Metastasierung?

Beim nm-CRPC ist eine Heilung des Krebses nicht mehr möglich. Früher oder später treten Metastasen auf, zum Beispiel in den Knochen. Das Risiko dafür ist umso höher, je schneller der PSA-Wert ansteigt. Wenn der PSA-Wert über 2 ng/mL liegt und sich innerhalb von weniger als 10 Monaten verdoppelt, ist das Metastasierungs-Risiko hoch. Gerade dann gilt es, die Bildung der Metastasen möglichst hinauszuzögern und zu vermeiden, dass Symptome und Komplikationen auftreten. Die Behandlungsmöglichkeiten beim Hochrisiko-nm-CRPC haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, denn es stehen mittlerweile zwei Medikamente zur Verfügung: Apalutamid und Enzalutamid. Beide Arzneimittel werden als Filmtabletten oral eingenommen; die Hormontherapie soll dabei fortgeführt werden.

Die neueste Behandlungsoption: Apalutamid

Apalutamid erhielt im Januar 2019 die Zulassung auf Basis der klinischen Studie „SPARTAN“. An dieser Studie nahmen insgesamt 1.207 Männer mit nm-CRPC teil, die im Mittel 74 Jahre alt waren und entweder Apalutamid oder ein Placebo erhielten (806 bzw. 401 Patienten). Die Hormontherapie wurde jeweils aufrechterhalten. Hauptziel der Studie war es zu ermitteln, wie lange die Patienten ohne Bildung von Metastasen überleben („metastasenfreies Überleben“). Mit Apalutamid belief sich das metastasenfreie Überleben im Mittel auf 40,5 Monate, mit Placebo hingegen auf 16,2 Monate – Apalutamid kann also das Streuen des Prostatakrebses im Mittel um etwa 2 Jahre hinauszögern (Abb. 1). Auch bei anderen Kriterien zur Wirksamkeit, zum Beispiel der Absenkung des PSA-Werts, zeigten sich durchgängig Vorteile für Apalutamid. Es gab allerdings Nebenwirkungen, die mit Apalutamid häufiger auftraten als in der Kontrollgruppe, insbesondere Ermüdung, Hautausschlag, Stürze, Knochenbrüche und eine Unterversorgung des Körpers mit Schilddrüsenhormonen.
Da Apalutamid erst seit kurzem zugelassen ist, kommt es in der deutschen Therapie-Leitlinie noch nicht vor.

 

Die weiteren Behandlungsmöglichkeiten

In dieser Therapiesituation, dem Hochrisiko-nm-CRPC, kommt außer Apalutamid auch Enzalutamid infrage, ein Arzneimittel, das schon seit mehreren Jahren zur Behandlung des metastasierten CRPC eingesetzt wird. Für Enzalutamid wurde eine groß angelegte klinische Studie speziell an Patienten mit nm-CRPC durchgeführt, die Studie „PROSPER“. In der Studie „PROSPER“ wurde untersucht, ob Enzalutamid im Vergleich zu Placebo das metastasenfreie Überleben verlängert. Die Studie umfasste 1.401 Patienten mit nm-CRPC, die zusätzlich zur Hormontherapie entweder mit Enzalutamid oder Placebo behandelt wurden (933 bzw. 468 Patienten, mittleres Alter: 74 bzw. 73 Jahre). Mit Enzalutamid ergab sich ein mittleres metastasenfreies Überleben von 36,6 Monaten, mit Placebo betrug es nur 14,7 Monate (Abb. 2). Enzalutamid war auch bezüglich anderer Wirksamkeitskriterien deutlich überlegen (Zeit bis zur nächsten Krebstherapie, PSA-Absenkung). Die häufigste Nebenwirkung mit Enzalutamid war Müdigkeit, gefolgt von Hitzewallungen. In seltenen Fällen (etwa 0,4 % der Patienten) können Krampfanfälle auftreten.
Es ist noch zu früh, um zu beurteilen, in welchem Ausmaß Apalutamid und Enzalutamid das Gesamtüberleben der Patienten verlängern – viele Patienten der Studien SPARTAN und PROSPER sind noch am Leben.

Mit Darolutamid ist ein weiterer Wirkstoff zur Behandlung des nm-CRPC in der späten klinischen Entwicklung – die Ergebnisse der Studie „ARAMIS“ sind vielversprechend. Zudem wird auch der Wirkstoff Abirateronacetat, der bereits zur Behandlung des metastasierten CRPC zugelassen ist, für die Anwendung beim nm-CRPC untersucht (Studie „IMAAGEN“).

Und was ist danach möglich?

Für die Therapie des metastasierten CRPC kommen mehrere Therapiemöglichkeiten infrage. So werden Abirateronacetat und Enzalutamid gleichermaßen als erste Therapieoption empfohlen, allerdings nur bei relativ gutem Allgemeinzustand und wenn die Symptome noch nicht allzu ausgeprägt sind. Es gibt keine Studiendaten, die zeigen, dass eines der Medikamente dem anderen überlegen ist. Eine weitere Möglichkeit zur Therapie des metastasierten CRPC ist eine Chemotherapie mit Docetaxel. Wenn die Metastasen nur die Knochen betreffen, kommt auch Radium-223 infrage. Wichtig ist zudem in jedem Fall die Behandlung der Symptome.

Wenn beim metastasierten CRPC die erste Therapie nicht mehr wirkt, kann man auf eine andere der genannten Möglichkeiten unter Beibehaltung der ADT wechseln. Es gibt aber derzeit keine klaren Empfehlungen dazu, welche Abfolge der Therapien die beste ist.


Fazit:

Für das kastrationsresistente Prostatakarzinom gibt es vor allem für die Situation, in der noch keine Metastasen aufgetreten sind, einen regen Fortschritt bei der Entwicklung neuer Therapien. Inzwischen stehen mit Apalutamid und Enzalutamid gleich zwei ähnlich gut wirksame Medikamente zur Verfügung, um – unter Beibehaltung der Hormontherapie – die Metastasenbildung hinauszuzögern.


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