Diagnostik des Prostatakrebses 2018

Wann, welche Bildgebung und der aktuelle Stellenwert des Multiparameter-MRT

Die Diagnostik des Prostatakrebses beinhaltet auch im Jahr 2018 als Standard drei wichtige Säulen:

Der diagnostisch sichere Nachweis einer bösartigen Neubildung (malignes Neoplasma) in einem organbegrenzten frühen Stadium der Erkrankung einerseits und andererseits in der Beurteilung der Aggressivität, das heißt, die Tumorbiologie des Tumors ist nach wie vor im Detail noch mit offenen Fragen verbunden. Es geht dabei um eine sichere Aussage zur Unterscheidung klinisch signifikanter, damit behandlungspflichtiger Befunde, von klinisch nicht signifikanten Tumoren, deren Therapie nicht sofort, sondern gegebenenfalls in einem zeitlichen Intervall erfolgen kann. Diese Problematik zu klären, ist insofern von besonderer Tragweite dahingehend, ob ein Tumor mit geringer Tendenz zu rascher Ausbreitung („low risk“-Tumor) einem aggressiven Therapiekonzept zugeführt wird oder im Umkehrschluss eine möglicherweise mangelnde und zu spät begonnene Behandlung bei sehr schnell, aggressiv wachsenden Tumoren („high risk“-Tumoren) zum Einsatz kommt.

Die stürmische Entwicklung bildgebender Verfahren (Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT), Sonographie, nuklearmedizinische Verfahren) in jüngster Vergangenheit ist bis zur Gegenwart ungebrochen und vermittelt zunehmend genauere Details in der Bildgebung, die neue diagnostische Informationen liefern mit dem Ziel einer effektiveren Therapie.

So können nach Einführung des Multiparameter-MRT (mpMRT) vor einigen Jahren nach vorangegangener negativer Prostatabiopsie bei fortbestehendem Karzinomverdacht durch Einsatz des mpMRT mehr klinisch signifikante Karzinome, aber auch weniger signifikante Tumoren der Prostata bei der erneuten Prostatabiopsie mit guter Sensitivität und Spezifität gefunden werden.

Die aktualisierte interdisziplinäre S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms empfiehlt daher (Fassung 2018), das mpMRT bei karzinomverdächtigen Herdbefunden in der Sekundärbiopsie einzusetzen, auch kann es bereits in der Vorbereitung zur Primärbiopsie zur Anwendung kommen.

Die kürzlich publizierten Ergebnisse einer wissenschaftlich hochrangigen internationalen Studie zum aktuellen Stellenwert des mpMRT in der Diagnostik des Prostatakrebses  (PRECISION-Study) weisen aus, dass sich bei Patienten, die nach einem auffälligem mpMRT eine Biopsie erhielten, in 38 % der Fälle (verglichen mit der Standardbiopsie 26%) ein signifikantes Prostatakarzinom fand.

Gegenwärtig werden in Deutschland die Kosten für die Durchführung eines mpMRT mit einer eventuellen Fusionsbiopsie nach schriftlicher Anfrage im Sinne einer Einzelentscheidung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, wenn bereits eine negative ultraschall-gesteuerte Erstbiopsie erfolgte und  ein fortbestehender Karzinomverdacht vorliegt.

Nach Durchführung des mpMRT sollte die ultraschallgesteuerte Prostatabiopsie unter Hinzuziehung der mpMRT-Befunde (so genannte Fusionsbiopsie) bei einer Zweitbiopsie (Sekundärbiopsie) durchgeführt werden. Die Fusion resultiert demzufolge aus zwei bildgebenden Verfahren: der Sonographie und der Magnetresonanztomographie.

Die Ermittlung der mpMRT-Befunde basiert auf der anatomischen Beschreibung (T2-Bild), der Beurteilung des biologischen Verhaltens des Gewebes (Wertung des Diffusionsverhaltens der Prostata) und der Gewebedurchblutung nach Gabe von Kontrastmittel (dynamisch kontrastmittelverstärkte MR). Aus diesen drei Komponenten zur Gewebecharakterisierung der Prostata wird ein so genannter Score gebildet, der die Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines Prostatakrebses beinhaltet:

Die Score-Skala (PI-RADS-Score) beschreibt den Verdacht auf einen bösartigen Prostatatumor als von „höchst unwahrscheinlich“ (1), „unwahrscheinlich“ (2), „fragwürdig“ (3), „wahrscheinlich maligne“ (4) bis „maligne“ (5).

Ausgehend von dem PI-RADS-Score erfolgt die Empfehlung zur US/MR-gesteuerten Fusionsbiopsie der Prostata. Das mpMRT ist ein modernes anspruchsvolles bildgebendes Untersuchungsverfahren, sowohl in der technischen Ausführung als auch in der Interpretation der Befundung der differenzierten Ergebnisse. So stellen multifokale Prostatakarzinome (viele Karzinomherde), wie auch eine ausgeprägte gutartige Veränderung der Prostata (benigne Prostatahyperplasie), Prostataentzündungen (Prostatitis) oder Irritationen im Prostatagewebe kurz nach vorangegangener Primärbiopsie eine diagnostische Herausforderung dar, die es bei entsprechender fachlicher Expertise zu berücksichtigen gilt. Die Radiologen verweisen darauf, dass gegenwärtig die Erfahrungen auf diesem speziellen Gebiet des MRT’s sehr unterschiedlich und flächendeckend noch nicht auf dem gewünschten Niveau sind. Nicht zuletzt wird von den Radiologen eine radiologische Zertifizierung für die mpMRT-Untersuchungen zur Prostatakarzinom-Diagnostik ähnlich der Mammographie-Zertifikation gefordert. So steht eine international standardisierte strukturierte Auswertung des mpMRT noch aus und ist derzeit nur in dafür spezialisierten Zentren („centers of excellence“) gegeben. Nur die alleinige Kombination eines kontrolliert pathologisch erhöhtem PSA-Wert mit einem „auffälligen“ mpMRT-Befund (PI-RADS ≥ 3) unter Verzicht auf eine Prostatabiopsie lässt gegenwärtig keine sichere Diagnostik für ein klinisch signifikantes, das heißt, behandlungsbedürftiges Prostatakarzinom zu.

Auch die Ultraschall-Diagnostik ist mit einem rasanten technisch innovativen Fortschritt verbunden, der nach Expertenmeinung mit einem hohen Entwicklungspotential längst nicht abgeschlossen ist. Der konventionelle transrektale Ultraschall zur Prostatakarzinom-Diagnostik in Verbindung mit der ultraschallgesteuerten Prostatabiopsie ermöglicht durch die Nutzung höherer Schallfrequenzen im Vergleich zur Bauch-Sonographie eine genauere und höhere Bildauflösung und so mehr Detail-Informationen zu Gewebeveränderungen innerhalb der Prostata.

Technische Weiterentwicklungen in der medizinischen Sonographie beinhalten zunehmend weitere Informationen zur Gewebezusammensetzung. Auch die Kombination mit Computersystemen zur Bildauswertung hat in der jüngsten Vergangenheit wesentlich zu den großen Fortschritten der Sonographie in der Prostatakarzinom-Erkennung beigetragen. Dieses so genannte cTRUS-ANNA-Verfahren erreicht eine höhere Prostatakarzinom-Detektionsrate bei geringerer Biopsieanzahl im Vergleich zum konventionellen transrektalen Schall bzw. zur US/MR-Fusionsbiopsie.

Die Vielfalt neuer spezieller Verfahren der transrektalen Sonographie durch Einsatz der farbkodierten Duplex-Sonographie, der Elastographie und der Verwendung von Ultraschall-Kontrastmittel wird in Analogie zum Multiparameter-MRT (mpMR) als Multiparameter-Ultraschall (mpUS) zusammengefasst. Diese neuen anspruchsvollen Verfahren können in einer einzigen Ultraschall-Diagnostik-Einheit (high end-Gerät) praktisch simultan genutzt werden, setzen aber große Erfahrung und spezielle Kenntnisse des Untersuchers voraus. Daher sollten diese Techniken mit hohem Informationsgehalt nur in dafür ausgewiesenen Zentren („centers of excellence“) zur Anwendung kommen.

Letztlich können derzeit alle bildgebenden Verfahren zur Diagnostik des Prostatakrebses die Prostatabiopsie zur Diagnose-Sicherung nicht ersetzen. Erst das histologisch exakte Ergebnis der Biopsie lässt eine zuverlässige Aussage zur Abschätzung des Progressionsrisikos eines nachgewiesenen Prostatakrebses zu, nicht zuletzt im Hinblick auf das spezielle individuelle Therapiekonzept für den jeweiligen Patienten.

Zur Früherkennung eines neuerlichen Fortschreitens der Erkrankung nach der Therapie kommen moderne nuklearmedizinische Techniken auf der Basis des prostataspezifischen Membran-Antigens zum Einsatz, die so genannte 68Ga-PSMA-PET/CT. Dieses molekulare bildgebende Verfahren gehört noch nicht zur Routine-Diagnostik und wird zunächst nur in wissenschaftlich begründet ausgewiesenen Studien zur Anwendung gebracht, beinhaltet aber ein umfangreiches Repertoire neuer wesentlicher Detail-Informationen.

Zusammenfassend ist eine kreative interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Urologen, Radiologen und Pathologen Voraussetzung für eine moderne Prostatakarzinom-Diagnostik, bei der für den jeweiligen Einzelfall das zutreffende Verfahren aus der Vielfalt der heute zur Verfügung stehenden bildgebenden Systeme mit höchster Aussagekraft zur Anwendung kommt.

Autor: Prof. Dr. Hans Heynemann

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