Genetischer Fingerabdruck – wie aggressiv ist mein Tumor?

Bestimmte genetische Merkmale erlauben laut einer aktuellen Untersuchung wohl eine Aussage darüber, wie aggressiv ein lokales Prostatakarzinom im Einzelfall wachsen kann.

Jede Krebserkrankung kann individuell sehr unterschiedlich verlaufen. Während der Tumor bei einigen Patienten nur langsam wächst, kann er bei anderen aggressiv wuchern und sich schnell in andere Organe ausbreiten. Das Wissen darüber, wie schnell ein Tumor wächst, hat wiederum Bedeutung für die Therapieentscheidung: Wächst ein Karzinom nur langsam und hat keinerlei Auswirkungen auf die Lebenserwartung des betroffenen Patienten, kann auf eine aggressive Therapie möglicherweise verzichtet werden. Dagegen wird eine sofortige radikale Prostatektomie (RPE) oder Strahlentherapie mit entsprechenden Nebenwirkungen notwendig, um bei aggressiven Tumoren eine Lebensverlängerung zu ermöglichen.

Entscheidende Erbanlagen

Für die Aggressivität des Tumors spielen seine genetischen Merkmale, also bestimmte Faktoren in den Erbanlagen der Krebszellen, eine entscheidende Rolle. Das hat eine Untersuchung kanadischer Wissenschaftler ergeben. Sie identifizierten eine Art „genetischen Fingerabdruck“, der Aussagen darüber zulässt, wie aggressiv und schnell der Tumor wächst.

Ermittelt wurde das genetische Profil aus 40 Merkmalen anhand von fast 500 Prostatakarzinomen. Diese Merkmale können etwa anzeigen, inwieweit bei einem lokal begrenzten Tumor trotz frühzeitiger Operation oder Strahlentherapie ein erhöhtes Risiko für einen Rückfall der Erkrankung (Rezidiv) besteht. Sollte ein Gentest dieses Risiko ergeben, könnte rechtzeitig über weitere therapeutische Maßnahmen nachgedacht werden. Somit würde das Risiko für Rezidive, aber auch für Tochtergeschwülste (Metastasen) gesenkt. Ein solcher Gentest wurde von den Forschern ebenfalls entwickelt. Künftige Studien müssen nun zeigen, ob sich seine Aussagekraft in der Praxis bewährt. Und ob daraus tatsächlich eine Therapieentscheidung abgeleitet werden kann.

Genmutation erhöht Aggressivität

Ebenfalls von Forschern dieser Studie wurden die lokalisierten Prostatatumore von 14 Patienten mit einer sogenannten BRCA1-Mutation untersucht. Bei BRCA1 handelt es sich um ein Gen, das mitverantwortlich dafür ist, dass beschädigte Erbgut-(DNA)-Abschnitte repariert werden können. Wird diese Fähigkeit durch eine entsprechende Mutation verhindert, erhöht sich für die Betroffenen das Risiko für eine Krebserkrankung. Bei Frauen gilt dies vor allem für Brust- und Eierstockkrebs, bei Männern für Prostatakrebs. Dazu kommt, dass diese Tumoren in der Regel sehr aggressiv sind. Innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose verstirbt rund die Hälfte der Prostatakrebs-Patienten mit einem lokalen BRCA1-positiven Karzinom.

In der aktuellen Untersuchung fanden die Wissenschaftler zahlreiche genetische Veränderungen im Erbgut der Krebszellen, die auf die fehlenden Reparaturmechanismen aufgrund der Mutation hindeuten. Zudem kommen viele dieser Veränderung normalerweise wohl erst im späteren Verlauf der Erkrankung auf. Unter anderem bei einer Resistenz gegen eine Hormontherapie. Daher raten die Mediziner dazu, bei BRCA1-positiven Prostatakarzinomen bereits im Frühstadium der Erkrankung eine aggressivere Therapie einzusetzen, etwa eine Chemotherapie. Ob dieses Vorgehen tatsächlich sinnvoll ist, müssen jedoch weitere Studien zeigen.

Autorin: Anne Göttenauer, 24.04.2017

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