Weitere lokale Therapiemöglichkeiten beim Prostatakrebs (Prostatakarzinom)

Auch mit experimentellen Verfahren wie der Kryotherapie und dem HIFU (Ultraschall) lässt sich Prostatakrebs lokal behandeln, die aber entsprechend der aktuellen S3-Leitlinie nur innerhalb wissenschaftlicher Studien anzuwenden sind.

Seit Jahren werden neue, minimal invasive (wenig eingreifende) Methoden zur örtlichen (lokalen) Behandlung des Prostatakarzinoms entwickelt wie die Kryotherapie, die HIFU-Therapie und die Hyperthermie. Im Idealfall sollten sie bei gleich guten Ergebnissen weniger Risiken und Nebenwirkungen haben als die bisherigen Standardmethoden, d.h. die radikale Prostatektomie (RPE) und die Strahlentherapie. Ob dies tatsächlich zutrifft, muss sich aber erst noch zeigen, sodass ihre Anwendung derzeit nur im Rahmen von Studien empfohlen wird. So gibt es beispielsweise zwar zahlreiche Untersuchungen, die meisten zur Kryotherapie, jedoch ist deren Aussagekraft eingeschränkt, unter anderem weil Langzeitergebnisse und der direkte Vergleich mit den genannten herkömmlichen Methoden noch ausstehen. Aufgrund dieser mangelhaften Datenlage sind diese Verfahren experimentell, aber vor dem Hintergrund der fokalen Therapie zunehmend von Interesse.

Kryotherapie

Unter Kryotherapie (besser: Kryochirurgie) versteht man einen Eingriff zur Zerstörung von Gewebe mittels starker Kälte (von griechisch kryos = Frost): Die entstehenden Eiskristalle zerstören Zellmembranen, Wasserentzug verklumpt Eiweiße, chemische Veränderungen leiten den programmierten Zelltod (Apoptose) ein und die Schädigung von Blutgefäßen unterbricht die Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen.

Die moderne Kryoabtragung der Prostata (Ablation, englisch: cryosurgical ablation of the prostate, CSAP) erfolgt meist während eines kurzen stationären Aufenthalts in „Rückenmarksnarkose“ oder Vollnarkose: Unter Kontrolle mittels transrektalem Ultraschall (TRUS) werden durch den Damm (transperineal) mehrere Nadeln in die Prostata und ihre Umgebung eingeführt: „Kältenadeln“ zum Gefrieren und Auftauen sowie „Wärmenadeln“ zum Schutz des Mastdarms (Rektum). Sonden messen die Temperatur und ein Wärmekatheter schützt die Harnröhre. Die Prostata wird zweimal tiefgefroren (auf - 40 °C im Zentrum und am Gefäß-Nerven-Bündel) und dann wieder aufgetaut.

Nach dem Eingriff schwillt das geschädigte Gewebe an. Deshalb ist für einige Tage ein Blasenkatheter nötig, später kann auch eine chirurgische Abtragung von Prostatagewebe (transurethrale Resektion der Prostata, TUR-P) erforderlich werden. Die Gefäß-Nerven-Bündel, die der Prostata hinten-seitlich anliegen und die für die Erektion wichtigen Nerven enthalten, können nur in Ausnahmefällen geschont werden. So kommt es bei den meisten Patienten zu einer erektilen Dysfunktion (ED). Andere Nebenwirkungen treten seltener auf.

Der aktuellen S3-Prostatakarzinom-Leitlinie zufolge ist die Kryotherapie keine Alternative zu den Standardverfahren in der Erstbehandlung des lokal begrenzten Prostatakarzinoms, da keine sicheren wissenschaftlichen Studiendaten vorliegen, die den Einsatz rechtfertigen. Auch zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms soll die Methode nicht eingesetzt werden. Denn es gibt Hinweise sowohl auf ihre Wirksamkeit als auch auf ihre Unterlegenheit, wobei die wissenschaftlichen Daten für eine Therapieempfehlung nicht ausreichen.

Auch nach der aktuellen europäischen Leitlinie (EAU) soll die Kryoablation Patienten nur im Rahmen klinischer Studien angeboten werden. Zudem sind die Patienten über den Mangel an Langzeitergebnissen im Vergleich zu Standardbehandlungen zu informieren. Ein mögliches Einsatzgebiet – allerdings mit experimentellem Charakter, über den der Patient informiert werden muss – ist bei Wiederauftreten (Rezidiv) des Tumors nach Strahlentherapie bei Patienten, die nicht operiert werden können. Hier spricht man von einer Salvage-Kryotheraple (engl. salvage = Rettung).

HIFU-Therapie

Die Abkürzung bedeutet hoch intensiver (hoch energetischer) fokussierter (gebündelter) Ultraschall (englisch: high intensity focused ultrasound). Bei der Behandlung mit HIFU werden Ultraschallwellen wie mit einem Brennglas im Zielgebiet fokussiert (gebündelt). Das Gewebe dort nimmt die Energie auf und wird zerstört, vor allem durch Erwärmung auf über 65 °C. Das zwischen der Schallquelle und dem Ziel befindliche wie auch das umliegende Gewebe werden hingegen kaum belastet.

Zur HIFU-Therapie von Prostatakrebs sind ebenfalls meist ein kurzer stationärer Aufenthalt und eine „Rückenmarksnarkose“ oder Vollnarkose nötig: Die Ultraschallquelle wird rektal (in den Mastdarm) eingeführt und zur Abdeckung des gesamten Zielgebiets mit zahlreichen Einzeleffekten automatisch bewegt, was je nach Prostatagröße in der Regel zwei bis vier Stunden dauert.

Im Vergleich zur Kryotherapie schwillt das geschädigte Gewebe für längere Zeit nach dem Eingriff an, sodass der Blasenkatheter länger verbleiben muss. Eine spätere Abtragung von Prostatagewebe (TUR-P) wird wesentlich öfter nötig und deshalb meist schon vor der HIFU-Therapie oder zeitgleich durchgeführt. Zudem kommt es häufiger zur Harninkontinenz, aber auch weniger oft zur erektilen Dysfunktion. Andere Nebenwirkungen sind gleichfalls seltener, eine Nervenschonung ist eher möglich.

Nach der aktualisierten S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms ist die HIFU-Therapie beim lokal begrenzten Prostatakarzinom ein experimentelles Verfahren und soll nur im Rahmen von Studien angewendet werden. Sie soll auch nicht zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms eingesetzt werden. In beiden Fällen reichen die Daten für eine Therapieempfehlung nicht aus. Diese Methode kann dagegen zum Einsatz kommen bei einem mittels Prostatabiopsie gesicherten lokalen Rezidiv nach äußerer (perkutaner) Strahlentherapie ohne Tochtergeschwülste (Metastasen) als sogenannte Salvage-HIFU-Therapie. Der Patient sollte aber zuvor über den experimentellen Charakter dieser Behandlung und über die anderen Therapiemöglichkeiten informiert werden. Die europäische Leitlinie beurteilt die HIFU-Therapie grundsätzlich gleich, das heißt, genau wie die Kryotherapie soll sie lediglich innerhalb klinischer Studien angeboten werden. Zudem wird auf das Fehlen von Langzeitergebnissen hingewiesen.

Hyperthermie

Als Hyperthermie (Überwärmung) bezeichnet man eine Erhöhung der Körpertemperatur bei intakter Wärmeregulation im Gehirn (im Gegensatz zu Fieber). Sie lässt sich zu Behandlungszwecken auch künstlich von außen herbeiführen (zum Beispiel durch Matten mit warmem Wasser). Wird die Prostata auf mehr als 42 °C erwärmt, verstärkt dies die Wirkung einer vorherigen oder anschließenden Bestrahlung. Eine solche Hyperthermie wurde bislang nur in einigen Studien bei lokal fortgeschrittenem Prostatakrebs eingesetzt, sodass es entsprechend nur wenige Daten zu Ergebnissen und Nebenwirkungen gibt.

Laut der aktualisierten deutschen S3-Leitlinie zum Prostatakrebs ist die Hyperthermie ein experimentelles Verfahren, weil sich ihr Wert mangels Studien, vor allem mit vergleichenden Untersuchungen, noch nicht sicher beurteilen lässt. Sie soll deshalb weder allein zur Erstbehandlung des lokal begrenzten Prostatakarzinoms noch zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms angewendet werden.

Protonen-Therapie

Es besteht kein Hinweis auf einen patienten-relevanten Vorteil der Protonen-Therapie im Vergleich zur hochkonformalen Photonen-Therapie (IMRT) bei Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom. Bei lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom soll eine Protonen-Therapie nur innerhalb klinischer Studien durchgeführt werden.

Fokale Therapie

Es werden gegenwärtig weitere Verfahren zur Behandlung des lokal begrenzten Prostatakrebses erprobt, zum Beispiel die Radiofrequenzablation (RFA) und die photodynamische Therapie (PDT) sowie die Anwendung von Strom (Elektrochirurgie) und von Mikrowellen (wie bei der transurethralen Mikrowellen-Thermotherapie, TUMT, zur Behandlung der gutartigen Prostatavergößerung). Diese Verfahren gelten noch als experimentell und haben eine fokale Therapie zum Ziel, also die gezielte Zerstörung eines einzelnen Krebsherds unter Schonung der restlichen Prostata (und der Erektionsnerven). Letzteres ist auch mit der Kryotherapie und der HIFU-Therapie möglich. Zur fokalen Therapie des Prostatakrebses werden diese Techniken eingesetzt, um die Indexläsion (den größten Tumor mit dem höchsten, das heißt, aggressivsten Malignitätsgrad) lokal zu zerstören mit der Zielstellung, das umgebende Prostatagewebe zu schonen. Diese Verfahren bieten die Möglichkeit, alternativ zur aktiven Überwachung (active surveillance) eine mögliche Übertherapie des lokal begrenzten Prostatakrebses mit niedrigem Progressionsrisiko auch im Hinblick auf die Nebenwirkungen zu umgehen.

Bei der RFA des Tumors (englisch: radiofrequency interstitial tumor ablation, RITA) erfolgt die Abtragung (Ablation) durch Erhitzen des Gewebes mittels Radiofrequenzwellen (Radiowellen) über Nadelelektroden, die in die Prostata eingeführt werden. Diese Methode wird auch bei der transurethralen Nadelablation (TUNA) zur Behandlung der gutartigen Prostatavergrößerung verwendet.

Die photodynamische Therapie (PDT) wird gleichfalls bereits erfolgreich bei anderen Krankheiten eingesetzt. Hierbei injiziert man eine Substanz in eine Vene oder direkt in die Prostata. Der Wirkstoff reichert sich im Tumor an und schädigt diesen, sobald er mit Licht einer hochenergiereichen geeigneten Wellenlänge (Laser) über eine in die Prostata eingeführte Laser-Faser aktiviert wird. Eine solche Substanz nennt man Photosensibilisator, weil sie die Zellen gegen Licht empfindlich macht.

Auch bei den fokalen Therapien betont die aktuelle europäische Leitlinie, dass sie den Patienten nicht als alternative Behandlungsoptionen außerhalb von klinischen Studien angeboten werden sollen. Für die Erwägung einer fokalen Therapie sollten unbedingt folgende Kriterien erfüllt sein:

Umfangreiche Aufklärung des Patienten zum experimentellen Charakter dieser Therapieform, auch und gerade nach vorherigen operativen Eingriffen an der Prostata. Ebenso muss in nur geringes oder moderates Progressionsrisiko bestehen (klinisches Stadium T1 und radiologisches Stadium < 2Tb). Darüberhinaus sollte ein solcher Eingriff nur in einer mit der neuen Methode vertrauten Einrichtung erfolgen, wo bereits ausreichende Erfahrung besteht.

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