Abwartendes Beobachten bei Prostatakrebs (Prostatakarzinom)

„Active Surveillance“ und „Watchful Waiting“ (WW)

Vor allem bei älteren Patienten mit schweren Begleiterkrankungen kann es sinnvoll sein, auf eine belastende Tumortherapie zu verzichten und stattdessen tumorbedingte Beschwerden abzuwarten und diese lindernd zu behandeln.

Unter aktiver Überwachung (engl. Active Surveillance, AS) versteht man eine grundsätzlich mögliche heilende (kurative) Therapie unter enger Überwachung so lange aufzuschieben, bis der Tumor fortschreitet oder der Patient die Therapie wünscht (s. aktive Überwachung bei Prostatakarzinom). Beide Methoden (AS und WW) werden auch als verzögerte Behandlung (engl. deferred treatment) oder konservatives Vorgehen zusammengefasst, was zum Ausdruck bringt, dass man den Betroffenen überwacht und erst beim Fortschreiten des Tumors über die weitere Therapie entscheidet. Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakrebs sollen nicht nur über die jeweiligen Behandlungsverfahren (Operation, Bestrahlung etc.) informiert, sondern auch über die „Aktive Überwachung (AS)“ informiert werden.

Abwartendes Beobachten (engl. Watchful Waiting, WW) bedeutet, einen Tumorpatienten langfristig zu beobachten und eine lindernde (palliative) Therapie einzuleiten, sobald der Tumor Krankheitszeichen (Symptome) verursacht. Das Konzept des „watchful waiting“ ist nicht gleichzusetzen mit einer palliativen Therapie im engeren Sinne. Vielmehr beinhaltet es ein klinisch kontrolliertes Zuwarten bis zum Auftreten von Beschwerden, Schmerzen etc. als Ausdruck eines lokalen oder systemischen Fortschreitens (Progression) der Prostatakrebserkrankung.

Dagegen versteht man unter aktiver Überwachung (engl. Active Surveillance, AS), eine grundsätzlich mögliche heilende (kurative) Therapie unter enger Überwachung so lange aufzuschieben, bis der Tumor fortschreitet oder der Patient die Therapie wünscht (s. aktive Überwachung bei Prostatakarzinom). Beide Methoden werden auch als verzögerte Behandlung (engl. deferred treatment) oder konservatives Vorgehen zusammengefasst, was zum Ausdruck bringt, dass man den Betroffenen überwacht und erst beim Fortschreiten des Tumors über die weitere Therapie entscheidet.

Ziel des abwartenden Beobachtens (watchful waiting) ist, dem Betroffenen eine eingreifende Therapie und deren mögliche Nebenwirkungen zu ersparen. Falls der Tumor Beschwerden verursacht, werden diese soweit nötig behandelt. Weil Prostatakrebs (Prostatakarzinom) oft sehr langsam wächst (s. auch Wachstum und Ausbreitung), bietet sich eine solche Strategie vor allem an, wenn die Lebenserwartung nicht mehr sehr lang ist, entweder wegen eines höheren Alters oder wegen zusätzlicher anderer Erkrankungen. Stellungnahmen und Empfehlungen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen man abwarten kann, sind in der aktualisierten deutschen S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie des Prostatakarzinoms ausgewiesen.

Abwartendes Beobachten beim nicht metastasierten Prostatakrebs (Prostatakarzinom)

Solange keine Tochtergeschwülste (Metastasen) in den örtlichen Lymphknoten (NO, zum TNM-System s. Wachstum und Ausbreitung des Prostatakarzinoms) oder an anderen Stellen des Körpers (MO) vorliegen, sind bei lokal begrenztem (T1-2) oder lokal fortgeschrittenem Prostatakrebs (T3-4) grundsätzlich verschiedene Vorgehensweisen möglich. So sollte der Patient über zeitnahe lokale Therapien mit kurativem Ziel wie Operation (radikale Prostatovesikulektomie, RPE) und Strahlentherapie sowie über das Konzept der aktiven Überwachung aufgeklärt werden.

Darüber hinaus gilt es, über das abwartende Verhalten/langfristige Beobachtung und die sekundäre symptomorientierte Therapie des „Watchful Waiting“ Bescheid zu wissen. Basis dafür ist, es eine palliative Strategie zu verfolgen. Das bedeutet, sofort eine Hormontherapie einzuleiten oder zunächst abwartend zu beobachten. Zudem können medikamentöse, operative und Bestrahlungsmaßnahmen zu Vorbeugung und -behandlung von Symptomen in Betracht kommen. Bei der Entscheidung über diese Möglichkeit sind der Wunsch, das Alter und mögliche Begleiterkrankungen des Patienten sowie das Risiko für das Fortschreiten des Tumors zu beachten. Das abwartende Beobachten sollte mit Patienten mit einer mutmaßlichen Lebenserwartung von weniger als zehn Jahren erörtert werden, die also älter als 70 Jahre sind oder schwere Begleiterkrankungen haben, sodass eine kurative Therapie ohnehin fraglich ist. Das T-Stadium und der PSA-Wert spielen dabei keine Rolle, der Gleason-Score sollte ≤ 7 sein.

Entscheidet sich der Patient gegen eine kurative Therapie und für den palliativen Weg mit sofortiger Hormontherapie und abwartendem Beobachten, muss er wissen, dass die Hormongabe auch unerwünschte Wirkungen haben kann. Dazu kommt, dass bei sofortiger Hormontherapie sich zwar die Zeit bis zum Fortschreiten des Tumors (das progressionsfreie Überleben) verlängert, aber noch unklar ist, ob dies auch für die Zeit bis zum Tod (das Gesamtüberleben) gilt. Entscheidet sich der Patient dann gegen eine sofortige Hormontherapie und für das abwartende Beobachten, soll er bei Beschwerden oder auf Wunsch behandelt werden.

Hintergrund dieser Empfehlungen sind Untersuchungen, nach denen bei lokal begrenztem Prostatakrebs zwischen der Diagnose (oft in einem sehr frühen Stadium) und dem Tod des Betroffenen im Mittel 10 bis 14 Jahre vergehen. Infolgedessen wäre der Nutzen einer kurativen Therapie für ältere und bereits anderweitig erkrankte Männer gering und würde mögliche Risiken dieser Behandlung nicht überwiegen. Dies gilt nach weiteren wissenschaftlichen Studien auch für Männer mit lokal fortgeschrittenem Tumor.

Neu in den aktuellen Leitlinien zum Prostatakrebs ist, dass ein abwartendes Vorgehen unter Beibehaltung der Hormontherapie auch Patienten mit fortschreitendem kastrationsresistenten Prostatakarzinom (CRPC) ohne oder nur mit geringen Symptomen sowie ohne bildgebenden Nachweis vom Metastasen angeboten werden soll.

Abwartendes Beobachten bei einem Tumorrezidiv nach kurativer Erstbehandlung

Steigt der PSA-Wert nach Operation oder Strahlentherapie des Prostatakarzinoms wieder an (biochemisches Rezidiv, BCR), kann dies ein lokales Wiederauftreten des Tumors (Tumorrezidiv) oder das Wachstum von Metastasen bedeuten. Bei einem Tumorrezidiv als Ursache und günstigen Begleitumständen ist das abwartende Beobachten auch eine Option.

Es hängt damit zusammen, dass der Krankheitsverlauf in diesem Fall auch ohne weitere Behandlung sehr lang sein kann und der Tumor bei vielen Patienten keine behandlungsbedürftigen Beschwerden verursacht. Wichtig für die Entscheidung über das weitere Vorgehen sind der Wunsch des Patienten nach Abwägung des möglichen Nutzens und Risikos, die Lebenserwartung des Patienten unter Berücksichtigung seines Alters und seiner sonstigen Erkrankungen sowie die Begleitumstände. Als günstig gelten hier nach radikaler Prostatektomie (RPE):

  • Gleason-Score ≤ 7 vor der Operation,
  • PSA-Wiederanstieg später als zwei Jahre nach der Operation,
  • PSA-Verdoppelungszeit länger als zehn Monate,
  • Kein Befall von Samenblasen oder Lymphknoten (nach feingeweblicher histologischer Untersuchung).

Für einige Patienten kann es also sinnvoll sein, das Tumorrezidiv später zu behandeln und zunächst einmal abzuwarten. Für andere Patienten ist jedoch eine möglichst frühzeitige lokale Therapie günstig (Bestrahlung nach Operation bzw. Operation nach Strahlentherapie).

Es zeigt sich, dass diese Patienten eine sehr heterogene Gruppe bilden, wozu es in der individuellen Behandlung jeden einzelnen Patienten einer hohen Erfahrung und Kenntnis des behandelnden Urologen bedarf.

Abwartendes Beobachten beim metastasierten Prostatakrebs (Prostatakarzinom)

Werden bei der Bestimmung des Krankheitsstadiums eine Magnetresonanztomographie (MRT), Computertomographie (CT) oder ein PET/CT zur Untersuchung der Beckenlymphknoten eingesetzt und ergibt sich hierbei ein positiver Befund, so sind die Lymphknoten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit befallen (N1) und der Tumor damit metastasiert. Diesen Patienten können statt einer mit Risiken behafteten Lymphknotenentfernung (Lymphadenektomie, LA) eine sofortige oder verzögerte Hormontherapie und das abwartende Beobachten angeboten werden. Diese Optionen gelten auch für Patienten mit feingeweblich (histologisch) gesicherten Lymphknotenmetastasen.

Auch bei Metastasen an anderen Stellen des Körpers wird in der Regel eine Hormontherapie durchgeführt. Solange keine Tumor-bedingten Krankheitszeichen vorliegen, kann aber auch das abwartende Beobachten infrage kommen. In diesem Fall beginnt man die Hormontherapie erst beim Auftreten von Beschwerden. Das abwartende Beobachten ist auch bei Patienten mit einem kastrationsresistenten Prostatakarzinom möglich (s. Fortschreitender Prostatakrebs unter Hormontherapie).

Kontrollen und Zeitpunkt des Eingreifens

Selbstverständlich sind auch beim abwartenden Beobachten regelmäßige Routineuntersuchungen erforderlich. Dabei erübrigt es jedoch meist, den PSA-Wert und den Tumor selbst (durch Biopsien) zu überwachen. Vielmehr geht es darum, krankheitsbedingte Beschwerden (etwa beim Wasserlassen oder Schmerzen durch Knochenmetastasen) so früh wie möglich zu erkennen. Denn ihr Auftreten bestimmt beim abwartenden Beobachten den Zeitpunkt für die weitere Therapie. Diese besteht dann in einer möglichst gezielten Behandlung dieser Beschwerden. Natürlich kann das Eingreifen auf Wunsch des Patienten auch früher erfolgen.

So kann die watchful waiting-Strategie, d. h., das abwartende Beobachten in Betracht kommen bei einem lokal begrenzten oder lokal fortgeschrittenen, aber auch beim kastrationsresistenten Prostatakrebs (Prostatakarzinom) – abhängig von Wunsch, Alter und eventuellen Begleiterkrankungen des Patienten sowie vom Risiko für das Fortschreiten des Tumors, insbesondere bei Patienten mit einer mutmaßlichen Lebenserwartung von weniger als zehn Jahren. Auch bei einem Tumorrezidiv nach kurativer Erstbehandlung kann abgewartet werden, genauso wie bei Metastasen in örtlichen Lymphknoten oder an anderen Stellen des Körpers, solange keine tumorbedingten Krankheitszeichen vorliegen. Schlussendlich kann die ärztliche Entscheidung nur individuell getroffen werden, wenn alle relevanten Befunde vorliegen und der Betroffene über alle Behandlungsmöglichkeiten umfassend aufgeklärt ist.

Weitere Artikel die Sie interessieren könnten: